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Richard Baldus:
II. Das Cantorsche Axiom in den Archimedischen Geometrien.
8. Man kann das Cantor sehe Axiom in der folgenden, ein-
fachen Form aussprechen1):
Liegt in einer Geraden eine unendliche Folge von
Strecken derart, daß jede Strecke ihre Endpunkte inner -
halb der vorhergehenden Strecke hat und daß die Längen
dieser Strecken gegen Null konvergieren, dann gibt es
einen Punkt, der innerhalb aller dieser Strecken liegt.
Die Deutung Veroneses von Nr. 3 erfüllt das Cantor sehe,
aber nicht das Archimedische Axiom und beweist damit bekannt-
lich2), daß aus dem CANTORschen Axiom nicht das Archimedische
folgt, während das Dedekind sehe Axiom die Aussage des Archime-
dischen nach sich zieht.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Stetigkeitsaxiomen
von Cantor und von Dedekind besteht im folgenden: das Dede-
kind sehe Axiom ist ein reines Anordnungsaxiom und spricht von den
sämtlichen Punkten einer Strecke, das Cantor sehe Axiom handelt
in jedem Einzelfalle zwar nur von einer (abzählbar unendlichen)
Auswahl von Punkten einer Strecke, enthält aber dafür einen metri-
schen Bestandteil, nämlich die Konvergenz der Streckenlängen gegen
Null, die sich nur nach Einführung der Streckenkongruenz fassen läßt.
Man kann das ÜANTORsche Axiom in der absoluten Geometrie
metrisch vereinfachen, indem man es nur für solche Strecken-
folgen ausspricht, in denen jede Strecke eine der Hälften der vor-
hergehenden ist3), man kann es aber auch, wie wir im folgenden
zeigen werden, als reines Anordnungsaxiom aussprechen, wenn es
nur zusammen mit dem Archimedischen Axiom auftritt.
9. Es liegt nahe, in der Formulierung des CANTORschen
Axioms die Konvergenz der Streckenlängen gegen Null durch die
Forderung zu ersetzen, daß es keine Strecke geben soll, die inner-
halb aller Strecken der unendlichen Folge liegt. Damit kommt man
nach Einführung der Axiomgruppen I—III zu folgender Frage:
In einer Geraden sei eine unendliche Streckenfolge AyBy der-
art gegeben, daß jede dieser Strecken ihre Endpunkte innerhalb
der vorhergehenden hat; tragen die beiden Forderungen
Diese Formulierung ist kürzer und leichter faßlich als die bei Enriques
a. a. O. S. 36.
2) Enriques a. a. 0. S. 37.
3) Vgl. G. II.
Richard Baldus:
II. Das Cantorsche Axiom in den Archimedischen Geometrien.
8. Man kann das Cantor sehe Axiom in der folgenden, ein-
fachen Form aussprechen1):
Liegt in einer Geraden eine unendliche Folge von
Strecken derart, daß jede Strecke ihre Endpunkte inner -
halb der vorhergehenden Strecke hat und daß die Längen
dieser Strecken gegen Null konvergieren, dann gibt es
einen Punkt, der innerhalb aller dieser Strecken liegt.
Die Deutung Veroneses von Nr. 3 erfüllt das Cantor sehe,
aber nicht das Archimedische Axiom und beweist damit bekannt-
lich2), daß aus dem CANTORschen Axiom nicht das Archimedische
folgt, während das Dedekind sehe Axiom die Aussage des Archime-
dischen nach sich zieht.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Stetigkeitsaxiomen
von Cantor und von Dedekind besteht im folgenden: das Dede-
kind sehe Axiom ist ein reines Anordnungsaxiom und spricht von den
sämtlichen Punkten einer Strecke, das Cantor sehe Axiom handelt
in jedem Einzelfalle zwar nur von einer (abzählbar unendlichen)
Auswahl von Punkten einer Strecke, enthält aber dafür einen metri-
schen Bestandteil, nämlich die Konvergenz der Streckenlängen gegen
Null, die sich nur nach Einführung der Streckenkongruenz fassen läßt.
Man kann das ÜANTORsche Axiom in der absoluten Geometrie
metrisch vereinfachen, indem man es nur für solche Strecken-
folgen ausspricht, in denen jede Strecke eine der Hälften der vor-
hergehenden ist3), man kann es aber auch, wie wir im folgenden
zeigen werden, als reines Anordnungsaxiom aussprechen, wenn es
nur zusammen mit dem Archimedischen Axiom auftritt.
9. Es liegt nahe, in der Formulierung des CANTORschen
Axioms die Konvergenz der Streckenlängen gegen Null durch die
Forderung zu ersetzen, daß es keine Strecke geben soll, die inner-
halb aller Strecken der unendlichen Folge liegt. Damit kommt man
nach Einführung der Axiomgruppen I—III zu folgender Frage:
In einer Geraden sei eine unendliche Streckenfolge AyBy der-
art gegeben, daß jede dieser Strecken ihre Endpunkte innerhalb
der vorhergehenden hat; tragen die beiden Forderungen
Diese Formulierung ist kürzer und leichter faßlich als die bei Enriques
a. a. O. S. 36.
2) Enriques a. a. 0. S. 37.
3) Vgl. G. II.