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Bettmann, Siegfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1930, 8. Abhandlung): Über Modellierungen des Gefäßendabschnittes, 1: Die Beziehung der Kapillarformen der Lippe zur Physiognomie — Berlin, Leipzig, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.43607#0013
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Über Modellierungen des Gefäßendabschnittes.

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fachheit oder Kompliziertheit den Erwartungen entspricht, die
sich aus der äußeren Physiognomie ergeben.
Dabei ist es wohl kaum nötig, besonders hervorzuheben, daß
wir nicht daran denken dürfen, aus dem Gefäßbefund alles das
herauslesen zu wollen, was uns die Gesichtsphysiognomie als Aus-
druck des Typischen wie des Individuellen über die ganze Per-
sönlichkeit mit ihrer Reaktionsart und ihrem Temperament besagt.
Wir haben uns wesentlich bescheidenere Ziele zu setzen.
Es wäre verwegen, gewissermaßen genaue physiognomische
Diagnosen aus dem Kapillarbefunde stellen zu wollen, aber es sind
sicherlich physiognomische Beziehungen innerhalb gewisser Grenzen
verfolgbar.
Also handelt es sich um genaue physiognomische Analysen1),
und bis zu einem gewissen Maße um die Verfolgung jenes Haupt-
satzes von Piderit, daß ein physiognomischer Ausdruck als ein
habituell gewordener mimischer Ausdruck anzusehen sei.
Es liegt für uns nahe, hier direkt an Ausführungen von LIell-
pach2)3) und speziell an seine Gegenüberstellung des fränkischen
und schwäbischen Gesichtes anzuknüpfen, und so vor allem an seine
Versuche, das regionale Temperament und die regionale Mundart
für die Erklärung der typischen Verschiedenheiten von Volksstamm-
physiognomien heranzuholen.
„Geringere Bewegtheit des Mienenspiels und des Sprechapparats
hat geringe Faltung, Furchung, Zerrung, überhaupt Durcharbeitung
der Mund-, Kinn- und Wangenpartien zur Folge. Die Züge bleiben
regelmäßig, die Gestaltung der unteren Gesichtshälfte entspricht
einer Ruhestellung. Lebhaftes Mienenspiel und lebhafte Sprecli-
und Lachsprechweise erzeugen auch allenthalben Unregelmäßig-

Ü Solche Untersuchungen dürfen sich nicht durch die Bedenken Schillers
abschrecken lassen. „Eine Physiognomik organischer Teile, z. B. der Figur und
Größe des Mundes, ist vielleicht nicht immöglich. Wer die laimigten Spiele der
Natur, die Bildungen, mit denen sie ims stiefmütterlich bestraft odei’ mütterlich
beschenkt hat, unter Klassen bringen wollte, würde mehr wagen als Linne und
dürfte sich sehr in Acht nehmen, daß er über der ungeheueren kurzweilige® Mannig-
faltigkeit der ihm vorkommenden Originale nicht selbst eines werde." (Schiller,
Versuch über den Zusammenhang der thierisclien Natur des Menschen mit seiner
geistigen. 1780.)
2) Hellpach, Das fränkische Gesicht. Sitzungsber. d. Heidelberger Akad.
der Wissenschaften Jg. 1921.
3) Mitteilung zur Physiognomie der deutschen Volksstämme ebendort
Jg. 1925.
 
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