Über Modellierungen des Gefäßendabschnittes.
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nicht einem Fehlen entspricht, daß „Reserviertheit“ das Vorhanden-
sein von Reserven voraussetzt.
Der Versuch, solchen Verhältnissen an feinen Indikatoren zur
„funktionellen Morphologie“ nachzugehen, wäre also vor allem am
Gefäßsystem und speziell am Gefäßendabschnitt der Lippenschleim-
haut zu machen, nicht an den Gefäßen der äußeren Flaut des Ge-
sichts, da hier die Gefäßanordnungen eine solche Kontrolle nicht
erlauben.
So wird gerade die unendliche Verschiedenheit und Reichhaltig-
keit der Bilder an der Lippenschleimhaut verständlich aus der
Anpassung an jene Fülle von feinst abgestuften Bewegungen, die
vor allem die Mimik bedingt. Selbstverständlich wird es nicht
gelingen, aus dem Kapillarbild eines umschriebenen Bezirkes allzu
weitgehend „praktische“ Rückschlüsse zu ziehen, im Sinne einer
Rekonstruktion spezieller mimischer Ausdrucksformen. Immerhin
kann uns wohl das einfachere oder kompliziertere und im engeren
Bereiche wechselnde Kapillarbild mindestens Ausdruck einer im
Ganzen lebhaften bewegten ungebundenen Mimik oder einer stark
verhaltenen Mimik werden und somit schließlich vielleicht doch an
einem großen Durchschnittsmaterial ein gewisses Charakteristikum
von verschiedenen Volksstämmen geben und sich in Beziehung zu
ihrer Mund-Art (das Wort in seinem doppelten Sinne gebraucht!)
setzen lassen.
Wenn wir es auch ablehnen, den Kapillarbefund der Schleim-
haut etwa für die Festlegung des Volksstamm-Mäßigen praktisch
zu verwerten, so mag doch tatsächlich mit solchen regionären
und stammesmäßig gebundenen Eigentümlichkeiten zu rechnen
sein — und vielleicht können wir sogar aus ihnen Unterschiede
erklären, die sich zwischen Tübinger und Heidelberger Untersu-
chungen herausgestellt haben. Wir können einen Kapillartyp der
Mundschleimhaut, den 0. Müller und Mayer-List als vasoneu-
rotisch ansprechen, nur als Normaltyp bezeichnen. Ich halte es
für gut möglich, daß ein mimisches Gehaben, das in seiner Leb-
haftigkeit und Kompliziertheit noch durchaus einer pfälzischen
Norm entspricht, beim Schwaben bereits als leicht regelwidrig
auffallen könnte.
Vielleicht ergeben sich gerade aus solchen Verschiedenheiten
ungeahnte Bestätigungen der Gedanken Hellpachs. Man käme
zu einer speziellen Erfassung einer Korrelation zwischen Mundart
(= Dialekt) und Mundart (= körperlicher Form), wie immer die
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nicht einem Fehlen entspricht, daß „Reserviertheit“ das Vorhanden-
sein von Reserven voraussetzt.
Der Versuch, solchen Verhältnissen an feinen Indikatoren zur
„funktionellen Morphologie“ nachzugehen, wäre also vor allem am
Gefäßsystem und speziell am Gefäßendabschnitt der Lippenschleim-
haut zu machen, nicht an den Gefäßen der äußeren Flaut des Ge-
sichts, da hier die Gefäßanordnungen eine solche Kontrolle nicht
erlauben.
So wird gerade die unendliche Verschiedenheit und Reichhaltig-
keit der Bilder an der Lippenschleimhaut verständlich aus der
Anpassung an jene Fülle von feinst abgestuften Bewegungen, die
vor allem die Mimik bedingt. Selbstverständlich wird es nicht
gelingen, aus dem Kapillarbild eines umschriebenen Bezirkes allzu
weitgehend „praktische“ Rückschlüsse zu ziehen, im Sinne einer
Rekonstruktion spezieller mimischer Ausdrucksformen. Immerhin
kann uns wohl das einfachere oder kompliziertere und im engeren
Bereiche wechselnde Kapillarbild mindestens Ausdruck einer im
Ganzen lebhaften bewegten ungebundenen Mimik oder einer stark
verhaltenen Mimik werden und somit schließlich vielleicht doch an
einem großen Durchschnittsmaterial ein gewisses Charakteristikum
von verschiedenen Volksstämmen geben und sich in Beziehung zu
ihrer Mund-Art (das Wort in seinem doppelten Sinne gebraucht!)
setzen lassen.
Wenn wir es auch ablehnen, den Kapillarbefund der Schleim-
haut etwa für die Festlegung des Volksstamm-Mäßigen praktisch
zu verwerten, so mag doch tatsächlich mit solchen regionären
und stammesmäßig gebundenen Eigentümlichkeiten zu rechnen
sein — und vielleicht können wir sogar aus ihnen Unterschiede
erklären, die sich zwischen Tübinger und Heidelberger Untersu-
chungen herausgestellt haben. Wir können einen Kapillartyp der
Mundschleimhaut, den 0. Müller und Mayer-List als vasoneu-
rotisch ansprechen, nur als Normaltyp bezeichnen. Ich halte es
für gut möglich, daß ein mimisches Gehaben, das in seiner Leb-
haftigkeit und Kompliziertheit noch durchaus einer pfälzischen
Norm entspricht, beim Schwaben bereits als leicht regelwidrig
auffallen könnte.
Vielleicht ergeben sich gerade aus solchen Verschiedenheiten
ungeahnte Bestätigungen der Gedanken Hellpachs. Man käme
zu einer speziellen Erfassung einer Korrelation zwischen Mundart
(= Dialekt) und Mundart (= körperlicher Form), wie immer die