Statik und Dynamik der deutschen Stammesphysiognomien
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etwas „Verschnörkeltes“ (Fig. 2a). Zwar erscheint auch hier die Mund-
spalte besonders oft „halboffen“ zu stehen. Zwar springen auch
hier die Lippen deutlich vor, sind wie aufgeworfen. Aber zugleich
mit dieser Schnutung sind die Mundwm/ceZ stark einwärts und rück-
wärts gezogen, „retrahiert“ (s. meine Abh. „Das fränkische Gesicht“,
diese Sitzungsber. 1921, 2. Abh. S. 5 und S. 16), und ist die verti-
kale Oberlippenfurche besonders tief eingegraben. Dadurch ver-
liert der lalische Mund die gleichsam immer „lächelbereite“ Schnutig-
keit des rheinischen, und der Mundausdruck erhält etwas Gehemmtes,
ja Gezerrtes, oft möchte man sagen Gequältes,
das seelisch zwischen Expressionsbereitschaft
und herber Verschlossenheit steht. Die ganze
Mundpartie erscheint wie „dysplastisch“, was
durch das Fortbestehen der rheinischen Kinn-
haltung (etwas emporgehoben) und die dadurch
bedingte Spannung, ja Zerrung der Kinn-Hals-
Muskulatur noch unterstrichen wird. Mit Vorbehalt verzeichne ich
daß Kurzkinne und besonders auch Fliehkinne sehr häufig zu sein
scheinen.
Entsprechend den früheren, praktisch durchaus bewährten
analogen Schemen (z. B. „Das fränkische Gesicht“, diese Sitzgs-
ber. 1921, Abh. 2, S. 4—6) läßt sich die fälische Mundpartie als ein
flaches gleichschenkliges Dreieck (Fig. 2’ ) schematisieren, dessen Basis
die Unterlippe ist, während die einen stumpfen Winkel einschließenden
beiden Schenkel die Oberlippe formieren und ein wenig
,/A\ über die basalen Ecken hinausstrahlen (eingeschnittene
Fig. 2b. Mundwinkel). Charakteristisch wird durch dieses Schema
hervorgehoben a) der stumpfe Winkel der Oberlippe,
der bei der rheinischen Oberlippe noch nicht erscheint, die viel-
mehr einen gestreckten Winkel mit ganz leichter Geschwungen-
beit seiner Geraden bildet, b) die straffe Geradlinigkeit der beiden
Schenkel, zu der die sanften Bogenkurven der rheinischen Ober-
lippe dank der Mundwinkelretraktion hier im fälischen Gesicht
ausgezerrt sind. Die trianguläre Mundöffnung des fälischen
Gesichts erweckt durch die in ihrer Umgebung sichtbaren harten
Spannungen viel mehr einen statischen, fixierten Eindruck (als
ob der Mund gar nicht geschlossen werden könnte, sondern halb-
offen „gebaut“ sei), die rheinische Öffnung wirkt labiler, wie die
Phase eines dynamischen, nie ruhenden Spiels zwischen Mund-
öffnung und Mundschließung.
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etwas „Verschnörkeltes“ (Fig. 2a). Zwar erscheint auch hier die Mund-
spalte besonders oft „halboffen“ zu stehen. Zwar springen auch
hier die Lippen deutlich vor, sind wie aufgeworfen. Aber zugleich
mit dieser Schnutung sind die Mundwm/ceZ stark einwärts und rück-
wärts gezogen, „retrahiert“ (s. meine Abh. „Das fränkische Gesicht“,
diese Sitzungsber. 1921, 2. Abh. S. 5 und S. 16), und ist die verti-
kale Oberlippenfurche besonders tief eingegraben. Dadurch ver-
liert der lalische Mund die gleichsam immer „lächelbereite“ Schnutig-
keit des rheinischen, und der Mundausdruck erhält etwas Gehemmtes,
ja Gezerrtes, oft möchte man sagen Gequältes,
das seelisch zwischen Expressionsbereitschaft
und herber Verschlossenheit steht. Die ganze
Mundpartie erscheint wie „dysplastisch“, was
durch das Fortbestehen der rheinischen Kinn-
haltung (etwas emporgehoben) und die dadurch
bedingte Spannung, ja Zerrung der Kinn-Hals-
Muskulatur noch unterstrichen wird. Mit Vorbehalt verzeichne ich
daß Kurzkinne und besonders auch Fliehkinne sehr häufig zu sein
scheinen.
Entsprechend den früheren, praktisch durchaus bewährten
analogen Schemen (z. B. „Das fränkische Gesicht“, diese Sitzgs-
ber. 1921, Abh. 2, S. 4—6) läßt sich die fälische Mundpartie als ein
flaches gleichschenkliges Dreieck (Fig. 2’ ) schematisieren, dessen Basis
die Unterlippe ist, während die einen stumpfen Winkel einschließenden
beiden Schenkel die Oberlippe formieren und ein wenig
,/A\ über die basalen Ecken hinausstrahlen (eingeschnittene
Fig. 2b. Mundwinkel). Charakteristisch wird durch dieses Schema
hervorgehoben a) der stumpfe Winkel der Oberlippe,
der bei der rheinischen Oberlippe noch nicht erscheint, die viel-
mehr einen gestreckten Winkel mit ganz leichter Geschwungen-
beit seiner Geraden bildet, b) die straffe Geradlinigkeit der beiden
Schenkel, zu der die sanften Bogenkurven der rheinischen Ober-
lippe dank der Mundwinkelretraktion hier im fälischen Gesicht
ausgezerrt sind. Die trianguläre Mundöffnung des fälischen
Gesichts erweckt durch die in ihrer Umgebung sichtbaren harten
Spannungen viel mehr einen statischen, fixierten Eindruck (als
ob der Mund gar nicht geschlossen werden könnte, sondern halb-
offen „gebaut“ sei), die rheinische Öffnung wirkt labiler, wie die
Phase eines dynamischen, nie ruhenden Spiels zwischen Mund-
öffnung und Mundschließung.