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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1934, 3. Abhandlung): Die Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.43675#0006
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Adolf Mayer

wachsen und sich Schutzhütten aus Bambusstäben und Moos-
polstern ohne viel Mühe errichten lassen und auch zur Bekleidung
paradiesische Kostüme genügen. Für die allermeisten Verhältnisse
und in der Gegenwart ist Muskel- und Kopfanstrengung, soge-
nannte Arbeit nötig zur Erlangung des Allernotwendigsten, und
ein Trunk frischen Wassers und der Ausblick in eine anmutige
Landschaft sind nebst der Atmung von guter Luft in zivilisierten
Ländern so ziemlich das Einzige, was wir an freien stofflichen
Gütern oder an solchen auf geistigem Gebiete genießen.
Die herrschende Regel ist, daß durch den gesitteten Mensch
etwas geleistet werden muß. Und das ist eben die wirtschaft-
liche Arbeit. Ich betone: die wirtschaftliche; denn bei der
Armut unserer Sprache und dem großen Umfang unserer Begriffe
hat jedes Wort mehrere Begriffe zu vertreten, und das Wort
Arbeit hat in der Physik eine wesentlich andere Bedeutung,
nämlich die eines Maßes der eine jede körperliche Veränderung
veranlassenden Energie. Wirtschaftlich aber ist Arbeit diejenige
Tätigkeit, die Güter erzeugt und also dem Güterverbrauch
(gewöhnlich mit einem Fremdwort als Konsum bezeichnet)
genau entgegengesetzt.
Arbeit, Gut, Konsum ist jetzt eine aneinander fest verkettete
Reihenfolge, und der klassische Ausdruck für den aufsteigen-
den Ast dieser unverbrüchlichen Kette ist der alte Spruch: „Vor
die Tugend setzten den Schweiß die unsterblichen Götter“ oder
auch der Bibelspruch: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du
dein Brot essen“, der noch im Hinblick auf den paradiesischen
Zustand einen Fluch bedeutet, der aber in einem höheren Sinne
auch zum Segen gereichen kann und sollte. Schweiß aber ist in
jedem Falle der stark in die Sinne greifende Ausdruck für mühe-
volle Arbeit.
Arbeit ist eine Leistung unseres Muskelsystems, die an-
strengt. Das gilt auch für die geistige Arbeit, da auch im
Hirne muskelähnliche Gewebe und Teilchen vorhanden sind, die
den Blutstrom je nach Bedarf umschalten in Teile, die der
sinnlichen Wahrnehmung dienen, und in Orte, wo Gedächtnis-
bilder aufgespeichert sind u. s. w., je nach Bedarf. Daher das
Denken ermüdet, und also Ergänzungen durch Ernährung genau
wie andauernde körperliche Arbeit heischt, wenn auch ein anderer
Teil der geistigen Tätigkeit mühelos sein mag, wie aus den
Träumen erhellt.
 
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