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Mayer, Adolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1934, 3. Abhandlung): Die Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.43675#0018
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Adolf Mayer

Feststellung eines Existenzminimums, durchgeführt durch allge-
meines Stimmrecht und Parlamentarismus führt zwangsläufig zu
Erhöhung der Löhne über die wirtschaftliche Möglich-
keit hinaus und daher — zum Untergang.
12. Zins.
Was Zins ist, oder vom Kapital aus betrachtet, die Rente,
weiß Jedermann. Zins ist Entgelt für Erlaubnis des Kapital-
gebrauchs an den Besitzer. Daß solch ein Entgelt nötig ist (auch
nach Abzug der Risikoprämie) ist leicht erweislich, da Leihen
ohne Entgelt immer fortgesetzt ja einer Enteignung gleich-
käme, die doch niemand zugemutet werden kann. Also muß
auch eine begrenzte Uebertragung Wert haben, deren Summe ja
mit der Enteignung gleichstände, da menschliche Dinge ohnehin
keine unendliche Dauer haben. Dagegen protestiert nur der Un-
verstand. Um der vom Sozialismus als „Zinsknechtschaft“ ver-
rufenen Erscheinung aus dem Wege zu gehen, ist das vernünf-
tige Ideal ein solcher Reichtum der menschlichen Gemein-
schaft, infolge dessen der Zinsfuß ein so niedriger würde, daß
allen vernünftigen Unternehmungen vom Kapital aus kein Hinder-
nis im Wege stehen würde.
Reich aber kann die Gemeinschaft nur werden nach Einsicht
in das wahre Wesen des Luxus, die gleichfalls durch die offi-
zielle Wirtschaftslehre erschwert wird.
13. Luxus.1)
Als Luxus ist derjenige Genuß und Güterverbrauch zu be-
zeichnen, dessen Befriedigungsgewinn durch eine entsprechend
gesteigerte Leistungsfähigkeit des Genießenden nicht auf ge-
wogen wird. Nach einer strengen Scheidung vom Komfort des
Schaffenden und vom Prunke des Autoritativen, für welche diese
Bedingung nachweisbar ist, ist jeder Luxus eine für die Wirt-
schaft schädliche Erscheinung. Dies nicht klar erkannt und
deutlich hingestellt zu haben ist die Todsünde der zur Zeit herr-
schenden Wirtschaftslehre. Auch hier wieder zeigt sich, daß ohne
Ethos, d. h. ohne Anerkennung der verpflichtenden Menschen-
liebe, die bloß auf Triebe sich gründende Wirtschaftslehre das
materialistische Gerippe ist einer abgezogenen und darum unvoll-
kommenen Weltanschauung, eine traurige Folge der Einseitigkeit

’) Vergl. Zeitschr. Sozialwissenschaft 1909. 226.
 
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