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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0012
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12 Fritz Eichholtz : Der biologische Gedanke
es sich handelt, dem zusammenbrechenden Kranken einen neuen
Halt zu geben.
Der seelisch gesunde Mensch, der einer Krankheit anheimfällt,
hat immer Vergessen gesucht, nicht ein Aufstacheln seiner Emp-
findungen. Und der große Arzt hat zu allen Zeiten, wenn das
ärztliche Werkzeug versagte, den Wunsch gehabt, die Gedanken
des Kranken von der Krankeit abzulenken, ihn hinwegzuheben
über das eigene Selbst und über das Bangen um das eigene
kleine Schicksal.
Ebenso hat der große Arzt zu allen Zeiten in der Krankheit
gleichzeitig das Wirken übergeordneter geistiger und seelischer
Mächte erkannt und die Seele des Kranken mit diesen Mächten
erfüllt.
Man kann die Krankheit als ethisches Erlebnis empfinden, das
uns bessern soll, wie es v. Weizsäcker, Hellpach u. a. ausführ-
lich begründet haben. Man kann mit Nietzsche Leiden und Krank-
heiten begrüßen „als einziges, was heute beweisen kann, ob
einer Wert hat oder nicht, daß er Stand hält!“ Man kann, wie
unsere nordischen Vorfahren, den erzieherischen Wert der Krank-
heit verneinen. „Damals galt es als Ehre, das Leiden zu ver-
beißen, gleichzeitig mit Tränen und Wehklagen und den übrigen
Arten der Zerknirschung, die wir als heilsam erachten“, berichtet
ein Klosterbruder (Adam von Bremen) und fügt hinzu „Laetum
esse gloria est“. (A. Heusler, Heidelberg 1934).
Aber auch andere starke Kräfte, die aus dem Jenseitigen
stammen, sind bei der Heilung von Krankheiten wirksam. Ob es
sich dabei um das unbegreifliche Wirken einer großen Persön-
lichkeit handelt, ob der Arzt seine Zuflucht nehmen soll zu
„Glauben, Liebe, Hoffnung“ der christlichen Gedankenwelt, ob
er andere übergeordnete Lebens- und Weltanschauungen im Einzel-
falle dem Heilungsvorgange dienstbar macht, muß dem Gewissen
überlassen werden.
Immer aber wird der Arzt sich an zwei Dinge erinnern. Das
erste ist die Gewißheit, daß alle Krankheiten nach ewigen Ge-
setzen des Lebens und der Natur ablaufen, und daß uns von
diesem Räderwerk wichtige Teile bekannt sind. Daraus entsteht
die Zuversicht, daß unser ärztliches Handeln dem Heile der Kranken
dient. Das zweite ist die biologische Erkenntnis, daß der Mensch
unter allen Lebewesen eine besondere Anpassungsfähigkeit besitzt
an extreme Lebensbedingungen, sodaß er Hunger, Durst, Hitze,
 
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