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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0025
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in der naturwissenschaftlichen Medizin

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Chemie die einzige wissenschaftliche Grundlage der heutigen
Medizin seien — obwohl ein Blick in die Lehrbücher der Physio-
logie diese Herren belehren würde, daß die Grundvorgänge
der Lebenstätigkeit, die sich als Sensibilität, als Anpassungsfähig-
keit, als Organisation, Wachstum, Fortpflanzungsfähigkeit, Ver-
erbung und als Bewußtsein äußern, einer anderen Sphäre ange-
hören, sich zwar äußern mögen auch in parallel laufenden chemi-
schen und physikalischen Vorgängen, ohne sich indessen auf
solche Größen zurückführen zu lassen. Da sehen die andern das
Wesen der Medizin darin, daß sie aufgebaut ist nur auf anato-
mische Veränderungen, als ob alle unsere chemischen und physi-
kalischen Kenntnisse von den Ursachen, den Symptomen und der
Behandlung der Krankheiten, an denen Generationen von For-
schern mit unermüdlichem Fleiß erfolgreich gearbeitet haben, als ob
die gesamte Serologie und Bakteriologie, sowie die Neurosenlehre
der inneren Medizin nur ein unbedeutendes Anhängsel wären an
eine im Grunde grob anatomische Denkungsweise.
Wiederum andere sind der Meinung, daß sich die Schulmedizin
um die Psyche der Kranken nicht genügend kümmert, obwohl
ganze Kongresse der inneren Medizin in diesem Zeichen abge-
halten wurden, und obwohl auch für uns ein großer Arzt nicht
denkbar ist, der nicht gleichzeitig ein Menschenkenner wäre, der
nicht wüßte um die psychischen Kräfte bei der Entstehung und
Heilung von Krankheiten und bei der Wirksamkeit unserer Heil-
stoffe.
Weitaus ernster sind einige andere Vorwürfe zu nehmen, die
gegen die moderne Medizin gerichtet werden. Dazu zählt der
angeblich vollständige Mangel an biologischer Denkungsart. Hierzu
sind einige grundsätzliche Bemerkungen notwendig: Die biolo-
gische Einheit zwischen mineralischer, pflanzlicher und tierischer
Welt ist keine Entdeckung der spekulativen Richtungen. Das
Wissen um diese Dinge ist einesteils ein uraltes Menschheitsgut,
andererseits ein gesichertes Ergebnis der heutigen Naturforschung.
Worin besteht nun die biologische Einheit dieser Welt?
Leben ist verknüpft mit den physikalischen Eigenschaften des
Wassers. Von scharfsinnigen Denkern wurden die verheerenden
Folgen für die gesamte lebende Natur ausgemalt, wenn das
Wasser nicht mehr seine größte Dichte bei 4° besitzen sollte,
wenn es nicht mehr verdunsten, nicht mehr in Form der Wolken
 
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