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Fritz Eichholtz: Der biologische Gedanke
eigenen Gedankengut der Naturwissenschaften berichtigt. Nach
heutiger Lehre kann ein solcher Abfall aus biologischen Abhängig-
keiten, der für die gesunde Einzelperson gleichgültig sein mag,
für den Kranken, vielleicht auch für den Bestand der Rasse unab-
sehbare Folgen haben.
Um diese gewaltigen biologischen Probleme ganz zu erfassen,
die ihre soziale, völkische und individuelle Betonung besitzen,
ist die Lehre der spekulativen Richtungen viel zu arm. In den
entscheidenden Lehrbüchern, wie etwa dem „Organon“, findet
sich nicht ein Wort darüber. Wer einen Blick geworfen hat in
den gewaltigen Wissensstoff, der in den Lehrbüchern der Phy-
siologie, der Pathologie, der wissenschaftlichen Biologie, der
Ökologie zusammengetragen wurde, der muß erschüttert und
ehrfurchtsvoll stillstehen vor der unendlichen Mannigfaltigkeit und
Wandelbarkeit der Lebensäußerungen. Er muß gleichzeitig be-
scheiden zugeben, daß es nicht möglich ist, dieses Wissen in ein
kleines Schema zusammenzufassen, ohne den Tatsachen Gewalt
anzutun. Das bequeme und verführerische Denken in Teilstücken
der Wahrheit mag auf anderem Gebiete von Vorteil sein, auf
dem der Biologie bedeutet diese Denkart eine Armut oder eine
Vermessenheit.
Nur eine vollständige Kenntnis der gesamten biologischen
Tatsachen kann hier weiterhelfen. Diese gipfelt in der Zusammen-
schau einer Welt, „in der alles zu allem in Beziehung steht,
alles auf alles direkt oder indirekt wirkt, und in der alles gleich-
zeitig in Bewegung und Veränderung ist“ (Friederichs). Dieses
gilt auch für die Medizin, und man sollte annehmen, daß derjenige
einen Gegenstand richtiger sieht, der bessere und vollständigere
Kenntnisse über ihn besitzt. Diesen Weg, der mühsam ist, sucht
die naturwissenschaftliche Medizin zu gehen. Das ist ihre Stärke
und ihre Schwäche.
Zuletzt sei auch der Angriffe gedacht, die gegen die kausale
Einstellung des Naturwissenschaftlers gerichtet werden. Kausale und
teleologische Betrachtungsweise im Bereiche der Lebenserschei-
nungen sind nichts als zwei Seiten des gleichen Gegenstandes.
Der Biologe kann den kausalen Verknüpfungen nachgehen, das
Ganze aus seinen Teilen zu verstehen suchen, und er kann
andererseits betroffen, ja, erschüttert still stehen vor den Wundern
an Zweckmäßigkeit, die sich in der kleinsten lebenden Zelle
Fritz Eichholtz: Der biologische Gedanke
eigenen Gedankengut der Naturwissenschaften berichtigt. Nach
heutiger Lehre kann ein solcher Abfall aus biologischen Abhängig-
keiten, der für die gesunde Einzelperson gleichgültig sein mag,
für den Kranken, vielleicht auch für den Bestand der Rasse unab-
sehbare Folgen haben.
Um diese gewaltigen biologischen Probleme ganz zu erfassen,
die ihre soziale, völkische und individuelle Betonung besitzen,
ist die Lehre der spekulativen Richtungen viel zu arm. In den
entscheidenden Lehrbüchern, wie etwa dem „Organon“, findet
sich nicht ein Wort darüber. Wer einen Blick geworfen hat in
den gewaltigen Wissensstoff, der in den Lehrbüchern der Phy-
siologie, der Pathologie, der wissenschaftlichen Biologie, der
Ökologie zusammengetragen wurde, der muß erschüttert und
ehrfurchtsvoll stillstehen vor der unendlichen Mannigfaltigkeit und
Wandelbarkeit der Lebensäußerungen. Er muß gleichzeitig be-
scheiden zugeben, daß es nicht möglich ist, dieses Wissen in ein
kleines Schema zusammenzufassen, ohne den Tatsachen Gewalt
anzutun. Das bequeme und verführerische Denken in Teilstücken
der Wahrheit mag auf anderem Gebiete von Vorteil sein, auf
dem der Biologie bedeutet diese Denkart eine Armut oder eine
Vermessenheit.
Nur eine vollständige Kenntnis der gesamten biologischen
Tatsachen kann hier weiterhelfen. Diese gipfelt in der Zusammen-
schau einer Welt, „in der alles zu allem in Beziehung steht,
alles auf alles direkt oder indirekt wirkt, und in der alles gleich-
zeitig in Bewegung und Veränderung ist“ (Friederichs). Dieses
gilt auch für die Medizin, und man sollte annehmen, daß derjenige
einen Gegenstand richtiger sieht, der bessere und vollständigere
Kenntnisse über ihn besitzt. Diesen Weg, der mühsam ist, sucht
die naturwissenschaftliche Medizin zu gehen. Das ist ihre Stärke
und ihre Schwäche.
Zuletzt sei auch der Angriffe gedacht, die gegen die kausale
Einstellung des Naturwissenschaftlers gerichtet werden. Kausale und
teleologische Betrachtungsweise im Bereiche der Lebenserschei-
nungen sind nichts als zwei Seiten des gleichen Gegenstandes.
Der Biologe kann den kausalen Verknüpfungen nachgehen, das
Ganze aus seinen Teilen zu verstehen suchen, und er kann
andererseits betroffen, ja, erschüttert still stehen vor den Wundern
an Zweckmäßigkeit, die sich in der kleinsten lebenden Zelle