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Eichholtz, Fritz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1935, 8. Abhandlung): Der biologische Gedanke in der naturwissenschaftlichen Medizin — Heidelberg, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.43720#0038
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Fritz Eichholtz: Der biologische Gedanke

zentrierter Form. Wenn man das bedenkt, so liegt in der Über-
schwemmung des Volkes mit Chemikalien bis in die letzte Hütte
hinein, wie sie die Gewährung freier Arznei durch die Kranken-
kasse mit sich bringt, eine furchtbare Verantwortung.
Welches sind nun die wichtigsten pharmakologischen Gesichts-
punkte, die uns veranlassen, mit der Verordnung von Arzneistoffen
vorsichtig zu sein? Man erinnere sich zunächst daran, daß fast
alle lebensrettenden Arzneistoffe in der Hand des Unerfahrenen
lebensbedrohlich sind: Insulin, Adrenalin, Hypophysenextrakte,
Schilddrüse, Strophantin. Bei den Alkaloiden der Opiumgruppe
wurde eine besondere Gesetzgebung notwendig, um die Gefahr
der ärztlichen Morphiumspritzen zu verringern. Auch andere un-
entbehrliche Arzneistoffe wie Cocain und andere Lokalanästhetica,
die Narkotika, Atophan, Pyramidon, Oleum chenopodii, Tetra-
chlorkohlenstoff, Salvarsan geben immer neuen Anlaß zu medi-
zinischen Vergiftungen.
Weiter muß auf die Gefahr der Überempfindlichkeit hingewiesen
werden. Diese kann allergischer Natur sein. In dieser Hinsicht sind
besonders Arzneistoffe wie Jod, Chinin, Pyramidon, Antifebrin,
Acetylsalicylsäure, die Barbitursäuregruppe und Nitroglyzerin er-
wähnenswert. Bei einigen dieser Stoffe sind Todesfälle nach den
üblichen therapeutischen Dosen bekannt geworden. In anderen
Fällen kam es zu schweren Kollapserscheinungen. Leichtere Symp-
tome der Allergie wie Ekzeme, Urticaria u. a. werden oft beobachtet.
Es gibt indessen nicht nur eine Überempfindlichkeit, die aller-
gischer Natur ist. Zu verschiedenen Malen habe ich darauf hin-
gewiesen, daß schon durch den verschiedenen Mineralisations-
zustand, durch Schwankungen des Hormongehaltes die Empfind-
lichkeit gegen Arzneistoffe und Gifte verändert wird. Für den
Mensch hat von Noorden die bemerkenswerte Feststellung ge-
macht, daß bei kochsalzarmer Ernährung die üblichen Calcium-
dosen eine Giftwirkung besitzen. Die Überempfindlichkeit von
Basedowkranken gegen Adrenalin ist allgemein bekannt. Un-
zweifelhaft findet auch bei gewissen Ernährungsstörungen, bei
gleichzeitiger Zuführung von Gewerbegiften und Genußgiften ge-
legentlich eine Giftigkeitssteigerung der Medikamente statt. Auch
besteht in vielen Fällen eine gesteigerte Empfindlichkeit erkrankter
Organe, eine Tatsache, auf die besonders ScHULTZ-Greifswald
mit Recht hingewiesen hat. An dieser Stelle muß auch auf die
besonderen Gefahren hingewiesen werden, die mit der paren-
 
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