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0. H. Erdmannsdörffer :
Eine wichtige Voraussetzung für Rosenbusch's Auffassung war
die Annahme von dem unveränderten Übergang des Gesamtstoff-
bestandes der Substrate durch den Vorgang der Metamorphose
hindurch in die neue Form hinein. So schien eine chemische Re-
konstruktion des Ausgangsmaterials stets möglich. Heute kennen
wir die Erscheinungen der metamorphen Differentiation, die zu
erheblichen Stoffverschiebungen führen, und den chemischen
Charakter des betroffenen Gesteins grundlegend verändern kann.
Man hat die Vorgänge granitischer Injektionen zur Deutung
mancher Erscheinungen herbeigezogen und so Beziehungen zu
den Graniten des Varistikums gefunden oder vermutet. Aber
heute ist die Antwort auf die Frage nach der Herkunft der inji-
zierenden Massen umstritten, oder zum Mindesten durch die Er-
kenntnis der Existenz palingener Lösungen als Injektionsmaterial
um eine oder mehrere Möglichkeiten erweitert. Auch die meist-
vertretene Auffassung von dem prävaristischen Alter der Ver-
gneisung wird vereinzelt bestritten, und z. B. die Schapbachgneise
mit den Graniten in genetische Beziehungen gesetzt.
Die auffällige Neigung gewisser Kinzigitgneise zu lamprophy-
rischem Charakter und damit zu einer stofflichen Annäherung an
die Glimmersyenite des Schwarzwaldes ist ebenfalls ein noch
völlig unverstandenes Problem.
Daß der Vergneisungsvorgang nicht immer — oder vielleicht
überhaupt nie — normale Sedimente betroffen hat, sondern daß
hier bereits in andere metamorphe Stufen übergeführte Gesteine
erneut umgearbeitet wurden, zeigt das Auftreten von Disten, Stau-
rolith u. a. in gewissen Gliedern der Gneise. Auch bedarf die
Frage nach der Abstammung einer ganzen Reihe von „Einlage-
rungen“ (Amphibolite, Kalksilikatfelse u. a.) einer erneuten Über-
prüfung.
Zu diesen vorwiegend an stoffliche Verhältnisse gebundenen
Problemen kommen nun noch die der strukturellen Erschei-
nungen, insbesondere diejenigen, die sich durch Interferenz von
Kristallisation und Bewegung während der metamorphen Vor-
gänge entwickelt haben. Hier kann den Aufgaben und Methoden
der Großtektonik, Intrusionstektonik u. a. die petrotektonische
Analyse eine wichtige Hilfe leisten.
Dieser Stand der Dinge läßt es angebracht erscheinen, das
Schwarzwälder Gneisgebirge erneut einer Durcharbeitung nach
den hier kurz skizzierten Gesichtspunkten zu unterziehen.
0. H. Erdmannsdörffer :
Eine wichtige Voraussetzung für Rosenbusch's Auffassung war
die Annahme von dem unveränderten Übergang des Gesamtstoff-
bestandes der Substrate durch den Vorgang der Metamorphose
hindurch in die neue Form hinein. So schien eine chemische Re-
konstruktion des Ausgangsmaterials stets möglich. Heute kennen
wir die Erscheinungen der metamorphen Differentiation, die zu
erheblichen Stoffverschiebungen führen, und den chemischen
Charakter des betroffenen Gesteins grundlegend verändern kann.
Man hat die Vorgänge granitischer Injektionen zur Deutung
mancher Erscheinungen herbeigezogen und so Beziehungen zu
den Graniten des Varistikums gefunden oder vermutet. Aber
heute ist die Antwort auf die Frage nach der Herkunft der inji-
zierenden Massen umstritten, oder zum Mindesten durch die Er-
kenntnis der Existenz palingener Lösungen als Injektionsmaterial
um eine oder mehrere Möglichkeiten erweitert. Auch die meist-
vertretene Auffassung von dem prävaristischen Alter der Ver-
gneisung wird vereinzelt bestritten, und z. B. die Schapbachgneise
mit den Graniten in genetische Beziehungen gesetzt.
Die auffällige Neigung gewisser Kinzigitgneise zu lamprophy-
rischem Charakter und damit zu einer stofflichen Annäherung an
die Glimmersyenite des Schwarzwaldes ist ebenfalls ein noch
völlig unverstandenes Problem.
Daß der Vergneisungsvorgang nicht immer — oder vielleicht
überhaupt nie — normale Sedimente betroffen hat, sondern daß
hier bereits in andere metamorphe Stufen übergeführte Gesteine
erneut umgearbeitet wurden, zeigt das Auftreten von Disten, Stau-
rolith u. a. in gewissen Gliedern der Gneise. Auch bedarf die
Frage nach der Abstammung einer ganzen Reihe von „Einlage-
rungen“ (Amphibolite, Kalksilikatfelse u. a.) einer erneuten Über-
prüfung.
Zu diesen vorwiegend an stoffliche Verhältnisse gebundenen
Problemen kommen nun noch die der strukturellen Erschei-
nungen, insbesondere diejenigen, die sich durch Interferenz von
Kristallisation und Bewegung während der metamorphen Vor-
gänge entwickelt haben. Hier kann den Aufgaben und Methoden
der Großtektonik, Intrusionstektonik u. a. die petrotektonische
Analyse eine wichtige Hilfe leisten.
Dieser Stand der Dinge läßt es angebracht erscheinen, das
Schwarzwälder Gneisgebirge erneut einer Durcharbeitung nach
den hier kurz skizzierten Gesichtspunkten zu unterziehen.