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Goerttler, Kurt; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 8. Abhandlung): Die Differenzierungsbreite tierischer Gewebe im Lichte neuer experimenteller Untersuchungen — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.43754#0007
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Differenzierungsbreite tierischer Gewebe

7

Unter diesem Gesichtspunkt hat sich in meinem Institut schon
seit einigen Jahren ein spezialisiertes Programm entwickelt, mit
der Aufgabe, die Differenzierungsbreite und damit gewissermaßen
den Lebensraum der Gewebe des Säugetierkörpers innerhalb
des Organismus zu erforschen. — Eine solche Bestandsaufnahme
(wiederum abgesehen von einigen Fragen im Zusammenhang mit
dem Entzündungsproblem) fehlt bisher noch vollständig. Sie ist
aber zugleich die unerläßliche Vorarbeit für eine vielleicht später
von hier aus mögliche entwicklungsmechanische Gestaltungsana-
lyse. Doch liegt diese noch in weiter Ferne.
Hält man sich an die Grundsätze, die sich schon bei der ent-
wicklungsmechanischen Keimanalyse so glänzend bewährt haben
ich erinnere an Spemanns Tauschtransplantationen —, dann er-
gibt sich der Weg, auf dem solche Untersuchungen anzustellen sind.
Den Ausgangspunkt bildet die heute schon durch zahlreiche
Tatsachen belegte Arbeitshypothese, daß die Individualität und
Einheit im lebendigen Organismus grundsätzlich das einzigste
Milieu ist, in dem auch ein Organ teil biologisch befragt werden
und im Sinne seiner Lebensgesetzlichkeit antworten kann. — Will
man die Fähigkeiten eines Gewebes oder eines Organstückes
kennen lernen, dann muß man ihm die Möglichkeit geben, diese
Fähigkeiten zu entfalten, und das ist in vollem Umfang nur mög-
lich, wenn es eingefügt bleibt im lebendigen Getriebe eines Or-
ganismus.
Jede Isolierung — unter dem Deckglas oder in der vorderen
Augenkammer, in der Allantoisblase oder unter der Haut, oder
sonst an irgend einer Stelle, an der eine sinngemäße Eingliede-
rung in den Organismus nicht möglich ist — engt die unendlich
mannigfaltigen Möglichkeiten des natürlichen Lebensraumes ein
auf einen schmalen Grenzbezirk, der zwischen Leben und Tod
gleichsam nur noch eine letzte Chance offen läßt.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, habe ich schon seit
mehreren Jahren bei Kaninchen und dann auch bei Ratten nach
einem bestimmten Programm Gewebetransplantationen ausgeführt
und deren Ergebnisse studiert. Die Methodik an sich ist nicht
neu, und eine reiche Literatur belehrt jeden Anfänger sehr rasch
darüber, daß er sich auf keinem jungfräulichen Gebiet mehr be-
findet. *)
*) E. Lexer: Lehrbuch der Allgemeinen Chirurgie, Bd. 1, S. 57/58. Aus-
führliche Literaturangabe über Transplantationen.
Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite.
 
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