Differenzierungsbreite tierischer Gewebe
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Tatsache hat in der experimentellen Histologie die ihr gebührende
Würdigung bisher noch nicht gefunden. Wenn aber z. B. in
meinen Versuchen die quergestreiften um 90° gedrehten Muskel-
fasern neue Formen und elastische muskulöse Strukturen aus-
bilden, dann müssen hier ebenso wie bei der Bildung von Ge-
lenkknorpel aus einem Knochengranulationsgewebe oder bei den
verschiedenen Differenzierungsvorgängen des Amniongewebes im
Wirt organisierende und differenzierende Einflüsse vorhanden
sein.
Verpflanzt man Organstücke (Uterus), dann besteht sogar die
Möglichkeit eines wirksamen Einflusses von zwei Seiten aus:
1. vom Transplantat selbst ausgehend auf seine Teile und
2. durch die Umgebung im Wirt.
Das Transplantat selbst zwingt zunächst die ihm angehören-
den Zellen unter seinen Plan (s. Drüsenwachstum im Uterus-
stückchen). Es kann aber unter Umständen auch induzierenden
Einfluß auf seine fremde Umgebung im Wirt gewinnen (Gefäß-
induktion in der Umgebung von Epithelsträngen usw.). — Anderer-
seits gewinnt der Wirtsorganismus scheinbar überall da Ein-
fluß, wo die Selbstorganisation des Transplantates versagt, d. h.
da, wo Zellen abwandern, oder dort, wo sie unmittelbar funk-
tionelle Verbindungen mit dem Wirtsgewebe eingehen (z. B. mit
Gefäßen, oder in Form von Arbeitsgemeinschaften, Gemeinschaft
zwischen glatter und quergestreifter Muskulatur).
Als Leitgedanken für weitere Untersuchungen ergeben sich auf
Grund dieser Tatsachen folgende Fragen:
1. Wie groß ist die Differenzierungs- oder Anpassungsbreite,
d. h. der Lebensraum materiell bereits differenzierter Gewebe
innerhalb des Organismus?
2. Wann und unter welchen Umständen verhalten sich ge-
weblich bereits differenzierte Implantate herkunftsgemäß und unter
welchen Umständen geraten sie im Wirt unter herkunftsfremden
und ortsgemäßen Einfluß?
3. Gibt es Gradunterschiede in der Intensität der von be-
stimmten Transplantaten oder bestimmten Stellen eines Organis-
mus ausgehenden Organisationswirkungen?
Diese Fragen sind alle bisher unbeantwortet und waren bis-
her unter dem Einfluß der Zellentheorie noch nicht mit der
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Tatsache hat in der experimentellen Histologie die ihr gebührende
Würdigung bisher noch nicht gefunden. Wenn aber z. B. in
meinen Versuchen die quergestreiften um 90° gedrehten Muskel-
fasern neue Formen und elastische muskulöse Strukturen aus-
bilden, dann müssen hier ebenso wie bei der Bildung von Ge-
lenkknorpel aus einem Knochengranulationsgewebe oder bei den
verschiedenen Differenzierungsvorgängen des Amniongewebes im
Wirt organisierende und differenzierende Einflüsse vorhanden
sein.
Verpflanzt man Organstücke (Uterus), dann besteht sogar die
Möglichkeit eines wirksamen Einflusses von zwei Seiten aus:
1. vom Transplantat selbst ausgehend auf seine Teile und
2. durch die Umgebung im Wirt.
Das Transplantat selbst zwingt zunächst die ihm angehören-
den Zellen unter seinen Plan (s. Drüsenwachstum im Uterus-
stückchen). Es kann aber unter Umständen auch induzierenden
Einfluß auf seine fremde Umgebung im Wirt gewinnen (Gefäß-
induktion in der Umgebung von Epithelsträngen usw.). — Anderer-
seits gewinnt der Wirtsorganismus scheinbar überall da Ein-
fluß, wo die Selbstorganisation des Transplantates versagt, d. h.
da, wo Zellen abwandern, oder dort, wo sie unmittelbar funk-
tionelle Verbindungen mit dem Wirtsgewebe eingehen (z. B. mit
Gefäßen, oder in Form von Arbeitsgemeinschaften, Gemeinschaft
zwischen glatter und quergestreifter Muskulatur).
Als Leitgedanken für weitere Untersuchungen ergeben sich auf
Grund dieser Tatsachen folgende Fragen:
1. Wie groß ist die Differenzierungs- oder Anpassungsbreite,
d. h. der Lebensraum materiell bereits differenzierter Gewebe
innerhalb des Organismus?
2. Wann und unter welchen Umständen verhalten sich ge-
weblich bereits differenzierte Implantate herkunftsgemäß und unter
welchen Umständen geraten sie im Wirt unter herkunftsfremden
und ortsgemäßen Einfluß?
3. Gibt es Gradunterschiede in der Intensität der von be-
stimmten Transplantaten oder bestimmten Stellen eines Organis-
mus ausgehenden Organisationswirkungen?
Diese Fragen sind alle bisher unbeantwortet und waren bis-
her unter dem Einfluß der Zellentheorie noch nicht mit der