6 Ernst Rodenwaldt: Frühzeitige Erkennung
haben unsere Ärzteschaft in den großen Krieg gehen lassen prak-
tisch ohne Anweisungen über die zu erwartenden Infektionskrank-
heiten, obwohl wir hätten in Rechnung stellen müssen, daß die
meisten ihnen unbekannt waren. Man hat das nachgeholt. Im
Laufe des Jahres 1915 sind zahlreiche Merkblätter gerade über
den Typhus erschienen.
So ist, und damit erhebt man keinen Vorwurf gegen unsere
Ärzteschaft, über fast alle Infektionskrankheiten im Felde, nicht
nur über den Typhus, auch über die Malaria, das Fleckfieber,
das Rückfallfieber und vor allem die WEiL’sche Krankheit nur
langsam Klarheit gewonnen worden. Die Epidemien waren in
voller Stärke da, als man sie erkannte.
Es liegt bezüglich aller dieser in den Friedenszeiten vor dem
Weltkrieg in Europa ausgestorbenen oder völlig zurückgedrängten
Infektionskrankheiten genau so wie im Frieden mit allen jenen
Krankheiten, die man erst diagnostiziert, wenn man an sie denkt,
z. B. die Trichinose mit ihrem Lidoedem, an den „Weil“ mit
seinen Wadenschmerzen und das Bangfieber mit seiner Euphorie
bei hoher Temperatur.
So schematisch und bürokratisch es klingen mag, für jeden
Kriegszustand ist es notwendig, die gesamte Ärzteschaft durch
sehr einfache Anweisungen darauf hinzuweisen, daß sie
sich in ihrer Diagnosenstellung auf eine ganz neue Situation, auf
völlig andere Anforderungen einzustellen habe. Man muß den
Ärzten das sagen, woran sie zu denken haben, und man
muß ihnen für die klassischen Kriegsseuchen die typischen
Symptome nennen.
Das sind für Cholera und Thyphus die Symptome, die ich
oben nannte.
Wie schwer es dem Arzt fällt, sich in ein Krankheitsbild hin-
ein zu denken, das ihm während seines Studiums nur theoretisch
vorgetragen wurde, das zeigte z. B. die Malaria, deren Fieber-
kurve doch nun wohl die typischste ist, die es gibt.
Da ich vor dem Kriege in den Tropen war, hatte ich ange-
nommen, daß die Sommermitte uns in Flandern mit seinen weit
ausgedehnten Poldern, zu denen noch das Überschwemmungs-
gebiet bei Nieuwport getreten war, die Malaria bringen müsse.
Aber erst im Juli 1915 wurden in den Lazaretten der 4. Armee
eigenartige Grippefälle mit merkwürdigen Fieberkurven behan-
delt, bis schließlich jemand nach Wochen auf die Idee kam,
haben unsere Ärzteschaft in den großen Krieg gehen lassen prak-
tisch ohne Anweisungen über die zu erwartenden Infektionskrank-
heiten, obwohl wir hätten in Rechnung stellen müssen, daß die
meisten ihnen unbekannt waren. Man hat das nachgeholt. Im
Laufe des Jahres 1915 sind zahlreiche Merkblätter gerade über
den Typhus erschienen.
So ist, und damit erhebt man keinen Vorwurf gegen unsere
Ärzteschaft, über fast alle Infektionskrankheiten im Felde, nicht
nur über den Typhus, auch über die Malaria, das Fleckfieber,
das Rückfallfieber und vor allem die WEiL’sche Krankheit nur
langsam Klarheit gewonnen worden. Die Epidemien waren in
voller Stärke da, als man sie erkannte.
Es liegt bezüglich aller dieser in den Friedenszeiten vor dem
Weltkrieg in Europa ausgestorbenen oder völlig zurückgedrängten
Infektionskrankheiten genau so wie im Frieden mit allen jenen
Krankheiten, die man erst diagnostiziert, wenn man an sie denkt,
z. B. die Trichinose mit ihrem Lidoedem, an den „Weil“ mit
seinen Wadenschmerzen und das Bangfieber mit seiner Euphorie
bei hoher Temperatur.
So schematisch und bürokratisch es klingen mag, für jeden
Kriegszustand ist es notwendig, die gesamte Ärzteschaft durch
sehr einfache Anweisungen darauf hinzuweisen, daß sie
sich in ihrer Diagnosenstellung auf eine ganz neue Situation, auf
völlig andere Anforderungen einzustellen habe. Man muß den
Ärzten das sagen, woran sie zu denken haben, und man
muß ihnen für die klassischen Kriegsseuchen die typischen
Symptome nennen.
Das sind für Cholera und Thyphus die Symptome, die ich
oben nannte.
Wie schwer es dem Arzt fällt, sich in ein Krankheitsbild hin-
ein zu denken, das ihm während seines Studiums nur theoretisch
vorgetragen wurde, das zeigte z. B. die Malaria, deren Fieber-
kurve doch nun wohl die typischste ist, die es gibt.
Da ich vor dem Kriege in den Tropen war, hatte ich ange-
nommen, daß die Sommermitte uns in Flandern mit seinen weit
ausgedehnten Poldern, zu denen noch das Überschwemmungs-
gebiet bei Nieuwport getreten war, die Malaria bringen müsse.
Aber erst im Juli 1915 wurden in den Lazaretten der 4. Armee
eigenartige Grippefälle mit merkwürdigen Fieberkurven behan-
delt, bis schließlich jemand nach Wochen auf die Idee kam,