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Eichholtz, Fritz; Sertel, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1940, 1. Abhandlung): Weitere Untersuchungen zur Chemie und Pharmakologie der Heidelberger Radiumsole — Heidelberg, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.43794#0019
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Pharmakologie der Heidelberger Radiumsole
unwirksam sind. Welcher Art diese Wirkung indessen sein könnte,
darüber können wir uns bis heute kein Bild machen. Wir müssen
jedenfalls annehmen, daß die typischen klinischen Radiumwir-
kungen erst bei erheblich höheren Dosen auftreten.
Andererseits ist es ein völlig abwegiger Gedanke, daß der
Radiumgehalt der Heidelberger Sole eine toxische Wirkung ent-
falten könnte. Dagegen spricht die einfache Rechnung, daß erst
in 100 Litern trinkfähiger Heidelberger Sole eine Radiummenge
vorhanden ist, die unter physiologischen Verhältnissen bereits im
Knochensystem des Menschen verankert ist. Man hat noch nicht
davon gehört, daß dieses körpereigene Radium eine toxische
Wirkung entfalten könnte.
Der wichtigste Vergiftungsfall, bei dem man die genaue töd-
liche Radiumdosis kennt2), betrifft einen amerikanischen Stahl-
industriellen, der irgendwo gehört hatte, daß Radium zu einer
Hebung der Spannkraft führen soll, und der sich infolgedessen
ein radiumhaltiges Tafelwasser herstellen ließ. Er ging zugrunde,
nachdem er im Verlaufe von drei Jahren 3,6 mg Radium und Meso-
thorium zu sich genommen hatte, was einer Menge von 20 Mil-
lionen Liter der trinkfähigen Heidelberger Sole entsprechen würde.
In weiteren von Evans 3) beschriebenen Fällen nahmen Ziffer-
blattmaler nach seiner Berechnung in 6 Monaten 4000 y Radium
auf. Das würde einer Gesamtmenge von 24 Millionen Liter der
trinkfähigen Sole entsprechen. Bemerkenswerterweise soll in
diesen Fällen als Frühsymptom ein gehobenes Allgemeinbefinden
und eine Leistungssteigerung aufgetreten sein, obwohl sich kaum
feststellen läßt, inwieweit psychische Ursachen dabei im Spiele
waren.
In der Tat ist die übertriebene Auffassung von der Radium-
giftigkeit letzthin entstanden aus einem mißverstandenen Wort:
Der Physiker Rajewsky 4) hat nämlich bei einem Fall von Radium-
vergiftung die Radiumablagerung in der Lunge, der Knochen-
substanz und dem Knochenmark untersucht und kommt zu dem
Schluß, daß eine „Radiumablagerung von der Größenordnung
eines oder weniger Mikrogramm in gewissen Fällen als „töd-
liche Dosis“ angesehen werden kann“. Mit dem Fachausdruck
Dosis bezeichnet indessen die Medizin die zugeführte und nicht
2) Gettler, A.O. u. Norris, Ch.: Journal of Americ. Med. ass., Febr. 1933.
3) Evans: Americ. Journal of Public Health 23, 1933, S. 1017.
4) Rajewsky, S.: Strahlentherapie, Bd. 56, S. 712 (1936).
 
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