30
Ludwig Bieberbach:
matischen Denkens schärfte, Felix Klein, auch so großes Gewicht
auf eine, wie wir heute sagen müssen, artgemäße Gestaltung
des mathematischen Unterrichtes legte. Denn was Klein erstrebte
und vorschlug, ist gerade geeignet, den J-typischen Anlagen ent-
gegenzukommen und den S-typischen entgegenzuwirken. Er wollte
nämlich alles Formale zurückdrängen gegenüber dem Inhaltlichen.
Insbesondere sollte eine Stärkung der angewandten Mathematik
und der anschaulichen Methoden im Unterricht erfolgen.
Durch diese Betonung der Anwendungen und des Anschau-
lichen erfüllt dann der mathematische Unterricht schon an und
für sich eine nationalpolitische Aufgabe. Er vermittelt nämlich
durch diese Gestaltung Kenntnisse und Fertigkeiten, die bekannt-
lich für viele national wichtige Aufgaben in allen Gebieten des
Lebens der Gemeinschaft unerläßlich sind. Soll aber der Unter-
richt auch der Erziehung des Denkens dienen, und gerade der
mathematische Unterricht erscheint dazu in hervorragender Weise
berufen, so wird man sich vor zu engen Anweisungen über die
Gestaltung des Unterrichtes und der Unterrichtsmethoden hüten
müssen. Denn die drei J-Typen, die wir im Deutschen Volke vor-
fanden, rein oder gemischt, sind doch in ihren Anlagen zu ver-
schieden, als daß nicht ein auf die Erziehung des Denkens hin-
gerichteter Unterricht auf die Eigenart der drei Typen Rücksicht
nehmen müßte. Denn immer muß bedacht werden, daß gerade
die Vielgestalt der Anlagen ein Ruhmestitel und ein besonderer
Reichtum des Deutschen Geistes ist. Will man alle Deutschen
Typen pflegen — ich halte es für notwendig —, so muß es im
Einzelfall der Einsicht des Lehrers überlassen bleiben, wie er am
besten an die Eigenart der Schüler herankommt, wie er ihre
Begabung am erfolgreichsten anspricht.
Die Bedrohung durch S-typische Anlagen, der Klein vor
allem begegnen wollte, ist heute nicht mehr so groß wie in den
Jahrzehnten vor dem Krieg, da Klein seine Vorschläge aus-
arbeitete. Denn heute ist unser Blick noch durch andere Mittel für
das geschärft, was unserer Art dienlich ist und was ihr Abtrag
bedeutet. Unser ganzes Erziehungssystem beugt schon an und
für sich auch dem Einreißen eines geistigen Akrobatentums im
Mathematischen vor. Doch muß natürlich auch die Gestaltung
des mathematischen Unterrichtes da mitgehen und darf nicht
an ihrem Teil Typen begünstigen, die man durch andere Teile
der Erziehung zu überwinden sucht. Darum muß gerade der
Ludwig Bieberbach:
matischen Denkens schärfte, Felix Klein, auch so großes Gewicht
auf eine, wie wir heute sagen müssen, artgemäße Gestaltung
des mathematischen Unterrichtes legte. Denn was Klein erstrebte
und vorschlug, ist gerade geeignet, den J-typischen Anlagen ent-
gegenzukommen und den S-typischen entgegenzuwirken. Er wollte
nämlich alles Formale zurückdrängen gegenüber dem Inhaltlichen.
Insbesondere sollte eine Stärkung der angewandten Mathematik
und der anschaulichen Methoden im Unterricht erfolgen.
Durch diese Betonung der Anwendungen und des Anschau-
lichen erfüllt dann der mathematische Unterricht schon an und
für sich eine nationalpolitische Aufgabe. Er vermittelt nämlich
durch diese Gestaltung Kenntnisse und Fertigkeiten, die bekannt-
lich für viele national wichtige Aufgaben in allen Gebieten des
Lebens der Gemeinschaft unerläßlich sind. Soll aber der Unter-
richt auch der Erziehung des Denkens dienen, und gerade der
mathematische Unterricht erscheint dazu in hervorragender Weise
berufen, so wird man sich vor zu engen Anweisungen über die
Gestaltung des Unterrichtes und der Unterrichtsmethoden hüten
müssen. Denn die drei J-Typen, die wir im Deutschen Volke vor-
fanden, rein oder gemischt, sind doch in ihren Anlagen zu ver-
schieden, als daß nicht ein auf die Erziehung des Denkens hin-
gerichteter Unterricht auf die Eigenart der drei Typen Rücksicht
nehmen müßte. Denn immer muß bedacht werden, daß gerade
die Vielgestalt der Anlagen ein Ruhmestitel und ein besonderer
Reichtum des Deutschen Geistes ist. Will man alle Deutschen
Typen pflegen — ich halte es für notwendig —, so muß es im
Einzelfall der Einsicht des Lehrers überlassen bleiben, wie er am
besten an die Eigenart der Schüler herankommt, wie er ihre
Begabung am erfolgreichsten anspricht.
Die Bedrohung durch S-typische Anlagen, der Klein vor
allem begegnen wollte, ist heute nicht mehr so groß wie in den
Jahrzehnten vor dem Krieg, da Klein seine Vorschläge aus-
arbeitete. Denn heute ist unser Blick noch durch andere Mittel für
das geschärft, was unserer Art dienlich ist und was ihr Abtrag
bedeutet. Unser ganzes Erziehungssystem beugt schon an und
für sich auch dem Einreißen eines geistigen Akrobatentums im
Mathematischen vor. Doch muß natürlich auch die Gestaltung
des mathematischen Unterrichtes da mitgehen und darf nicht
an ihrem Teil Typen begünstigen, die man durch andere Teile
der Erziehung zu überwinden sucht. Darum muß gerade der