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Häfner, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1993/1994, 1. Abhandlung): Weshalb erkranken Frauen später an Schizophrenie?: vorgetragen in der Sitzung vom 13. Februar 1993 — Berlin, Heidelberg [u.a.]: Springer, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48136#0011
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Das Fach, das ich vertrete, die Psychiatrie, liegt etwas am Rande jener Natur- und
Geisteswissenschaften, die in einer Akademie repräsentiert zu sein pflegen. Mit
psychischen Krankheiten und den biologischen oder psychischen Prozessen, die
ihnen zugrundeliegen, mußten sich die meisten unter Ihnen nicht beschäftigen. Eine
weitere Schwierigkeit kommt hinzu. Die Psychiatrie muß zwingend zwei Gegen-
standsbereiche berücksichtigen, die gleichzeitig von mehreren und sehr unter-
schiedlichen Wissenschaften wahrgenommen werden: den psychischen und den
biologischen. Das bedeutet, daß psychiatrische Forschung häufig Mehrebenenfor-
schung ist - sie muß sich an einem Forschungsgegenstand mehrerer Methoden
bedienen, etwa solcher der Epidemiologie und der Sozialwissenschaft, der Psycho-
logie und der Neurobiologie. Die Komplexität seines Forschungsgegenstands und
die Vielfalt der erforderlichen Forschungsmethoden führt den Psychiater leicht in
das Risiko des anspruchsvollen Dilettantismus.
Um Ihnen nicht zu viel fremde Materie zu präsentieren und mich selbst vom
Dilettantismus hinreichend fernzuhalten, habe ich mich entschlossen, Ihnen eine
Art Werkstattbericht zu präsentieren. An einem Kernthema psychiatrischer For-
schung werde ich Ihnen nicht die Ergebnisse bis ins letzte Detail, sondern das
forschungslogische Gerüst vorstellen und den Weg nachzeichnen, der von der
Suche einer plausiblen Fragestellung über die Hypothesenbildung zur Hypothesen-
prüfung und schließlich zur Aufdeckung der zugrundeliegenden Zusammenhänge
führte. Die Ergebnisse selbst werde ich dabei nur kurz referieren, um das methodi-
sche Vorgehen anschaulich und die jeweils nächsten Schritte verständlich zu
machen. Das ganze ist Teil eines größeren Projekts der Schizophrenieforschung,
das ich 1984/85 entwickelt habe und das seit 1.1.1986 im SFB 258 von der DFG
gefördert und bis 31.12.1995 bewilligt ist. Dabei hat mich eine Gruppe ausgezeich-
neter junger Wissenschaftler unterstützt (K. Maurer, W. an der Heiden, A. Riecher-
Rössler, W. Löffler, M. Hambrecht, B. Nowotny, B. Fätkenheuer), die das ganze mit
mir trugen und von denen ich auch meinerseits viel gelernt habe.
Am Anfang stand der Versuch, nach Auslaufen des SFB 116 (psychiatrische
Epidemiologie, gefördert von 1973 bis 1985) einen zweiten Sonderforschungs-
bereich am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit gefördert zu bekommen. Auf
der Suche nach einem attraktiven Projekt reizte mich die Tatsache, daß die Schizo-
phrenie, eine der häufigsten und mit einem hohen Anteil dauerhaft behindernder
Folgen belastete Erkrankung, hinsichtlich ihrer Ursachen trotz rund 100 Jahren
Forschung immer noch unaufgeklärt ist. Den nicht besonders hoffnungsvollen

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