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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1909, 5. Abhandlung): Über die Nachkommen künstlich veränderter Blüten von Semperivivum — Heidelberg, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.37024#0004
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Georg Ktebs:

Konstanz und Variation — anscheinend sich direkt wider-
sprechende Erscheinungen — sind eben nur Seiten des gleichen
Grundphänomens: der tatsächlichen Abhängigkeit des gegebenen
komplizierten Systems der lebenden Zelle von den Faktoren
der Außenwelt. Je konstanter wir bestimmte Kombinationen der
Außenbedingungen längere Zeit hindurch erhalten können, was
allerdings nur bei Bakterien und Pilzen einigermaßen durch-
führbar ist, um so konstanter bleiben auch die entsprechenden
Formen. Durch die Mannigfaltigkeit der Kombinationen er-
schließen wir den ganzen Bereich der Variationen, deren Grenzen
theoretisch durch die Struktur der Spezies gegeben sind, prak-
tisch, das heißt für das Experiment, stets als offen bezeichnet
werden müssen. Auf Grund der gesetzmäßigen Abhängigkeit von
der Außenwelt kann man die pflanzlichen Organismen vergleichen
mit polymorphen, anorganischen Substanzen, die verschiedene
Aggregatzustände (gasförmig, flüssig, fest) und innerhalb des
festen Zustandes die mannigfachsten Kristallformen zeigen. Jeder
dieser Zustände, jede dieser Formen ist das notwendige Resultat
der Wirkung ganz bestimmter Kombinationen der Außenbe-
dingungen auf eine gegebene Substanz. Dieser Vergleich soll
in keiner Weise als Erklärungsprinzip gelten, sondern nur den
leitenden Gedanken ausdrücken, der auf den richtigen Forschungs-
weg in das anscheinend undurchdringliche Problem der Ent-
wicklung hindeutet, mag man auch über die innersten Gründe
des Lebens denken wie man wolle.
Die Ziele und Wege der vorhin angedeuteten Aufgabe müssen
noch etwas genauer gekennzeichnet werden, da sie von ver-
schiedenen Seiten in Angriff genommen werden können.
In dem einfachsten Falle geht man von einem, und zwar
ganz beliebigen Individuum aus, das rein vegetativ vermehrt
wird. Auf keinem andern Wege kann man ein so gleichartiges
Versuchsmaterial gewinnen, das zum Ausgangspunkte der Va-
riationsstudien dient. Jedenfalls handelt es sich darum, durch
möglichste Variation der Außenbedingungen die weitgehendste
Variation aller Merkmale, nach Zahl, Maß, Intensitätsgrad und
Form festzustellen. Auf diesem Wege läßt sich auch am ein-
fachsten und klarsten der Zusammenhang von Variation und
Außenwelt, erkennen.
Der weitere Schritt ist durch die Anwendung der geschlecht-
lichen Fortpflanzung gegeben, die bei manchen Pflanzen das
 
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