Georg Klebs:
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Die nicht petaloiden Staubblätter waren zum Teil normal
und enthielten anscheinend gesunden Pollen, der zur Bestäubung
typischer Exemplare der gleichen Sippe benutzt wurde, da die
eigenen Fruchtblätter versagten. Diese hatten zwar die normale
Form, waren aber nicht wie sonst in einem Kreise angeordnet,
sondern ganz wirr durcheinandergeworfen. Andere Staubblätter
zeigten verschiedene Grade der Reduktion, namentlich auch in
Form von Staminodien, wie sie bei den künstlich veränderten
Blüten mehrfach beobachtet, wurden. Ebenso traten die früher
erwähnten Zwischenformen von Staub- und Fruchtblättern auf,
indessen ohne merkliche Steigerung; unter den 40 Blüten be-
obachtete ich hei 7 (l?Vo) je eines, selten zwei solcher Gebilde.
An die Besprechung der Beobachtungen möchte ich einige
allgemeine Schlußhemerkungen knüpfen.
In seinem bahnbrechenden Werk hat DE VniES (1901) den
Unterschied von Variationen und Mutationen zum ersten Male
deutlich hervorgehoben. Als Variationen werden wesentlich
die quantitativen, kontinuierlichen (oder fluktuierenden) Ab-
weichungen bezeichnet, die den OuETELET'schen Regeln der
Wahrscheinlichkeit folgen, und die nicht vererbt werden, während
die Mutationen sprungweise auftretende, diskontinuierliche und
von vornherein erbliche Merkmale neuer systematischer Einheiten
sind. Die Charakteristik der Variationen habe ich (1903, S. 145;
1905, S. 304) in einem wesentlichen Punkt erweitert, indem ich
darauf hinwies, daß zu den Variationen auch zahllose Ab-
weichungen der Gestaltung gehören, die zum Teil als diskon-
tinuierlich^) zu bezeichnen sind, und ebenso wie die kontinuier-
0 Mir kam es darauf an, den Nachweis zu führen, daß auf experimen-
teliem Wege Variationen erzeugt werden, die ihrer Erscheinung nach den
von ÜATESON (1894, S. 15) definierten diskontinuierlichen Variationen ent-
sprechen, und zwar sowohl den meristischen wie substantiven, daß daher die
Art der Abweichung nichts darüber entscheidet, ob erblich oder nicht. In
der Tat bleibt es bei dem von BATESON beschriebenen Material vielfach un-
entschieden, ob die Abweichungen erblich sind. Bei meinen Versuchen waren
es Variationen in dem von mir klar definierten Sinn. Verwechslungen mit
Mutationen kamen gar nicht in Betracht. Die Anwendung des Wortes dis-
kontinuierlich hat nun zu Mißverständnissen geführt, weil andere Gelehrte
sich nicht von der Voreingenommenheit frei machen konnten, daß alle nicht
erblichen Variationen kontinuierlich sein müssen, und daß entsprechend
den Anschauungen von DE VRiES alle Anomalien durch besondere Träger
(Pangenc) vertreten sein müssen. Das erste ist sicher nicht der Fall, das
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Die nicht petaloiden Staubblätter waren zum Teil normal
und enthielten anscheinend gesunden Pollen, der zur Bestäubung
typischer Exemplare der gleichen Sippe benutzt wurde, da die
eigenen Fruchtblätter versagten. Diese hatten zwar die normale
Form, waren aber nicht wie sonst in einem Kreise angeordnet,
sondern ganz wirr durcheinandergeworfen. Andere Staubblätter
zeigten verschiedene Grade der Reduktion, namentlich auch in
Form von Staminodien, wie sie bei den künstlich veränderten
Blüten mehrfach beobachtet, wurden. Ebenso traten die früher
erwähnten Zwischenformen von Staub- und Fruchtblättern auf,
indessen ohne merkliche Steigerung; unter den 40 Blüten be-
obachtete ich hei 7 (l?Vo) je eines, selten zwei solcher Gebilde.
An die Besprechung der Beobachtungen möchte ich einige
allgemeine Schlußhemerkungen knüpfen.
In seinem bahnbrechenden Werk hat DE VniES (1901) den
Unterschied von Variationen und Mutationen zum ersten Male
deutlich hervorgehoben. Als Variationen werden wesentlich
die quantitativen, kontinuierlichen (oder fluktuierenden) Ab-
weichungen bezeichnet, die den OuETELET'schen Regeln der
Wahrscheinlichkeit folgen, und die nicht vererbt werden, während
die Mutationen sprungweise auftretende, diskontinuierliche und
von vornherein erbliche Merkmale neuer systematischer Einheiten
sind. Die Charakteristik der Variationen habe ich (1903, S. 145;
1905, S. 304) in einem wesentlichen Punkt erweitert, indem ich
darauf hinwies, daß zu den Variationen auch zahllose Ab-
weichungen der Gestaltung gehören, die zum Teil als diskon-
tinuierlich^) zu bezeichnen sind, und ebenso wie die kontinuier-
0 Mir kam es darauf an, den Nachweis zu führen, daß auf experimen-
teliem Wege Variationen erzeugt werden, die ihrer Erscheinung nach den
von ÜATESON (1894, S. 15) definierten diskontinuierlichen Variationen ent-
sprechen, und zwar sowohl den meristischen wie substantiven, daß daher die
Art der Abweichung nichts darüber entscheidet, ob erblich oder nicht. In
der Tat bleibt es bei dem von BATESON beschriebenen Material vielfach un-
entschieden, ob die Abweichungen erblich sind. Bei meinen Versuchen waren
es Variationen in dem von mir klar definierten Sinn. Verwechslungen mit
Mutationen kamen gar nicht in Betracht. Die Anwendung des Wortes dis-
kontinuierlich hat nun zu Mißverständnissen geführt, weil andere Gelehrte
sich nicht von der Voreingenommenheit frei machen konnten, daß alle nicht
erblichen Variationen kontinuierlich sein müssen, und daß entsprechend
den Anschauungen von DE VRiES alle Anomalien durch besondere Träger
(Pangenc) vertreten sein müssen. Das erste ist sicher nicht der Fall, das