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Lenard, Philipp [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1914, 28. Abhandlung): Probleme komplexer Moleküle, 2: Molekularkräfte und deren elektrische Wirkung ; Wasserfallelektrizität — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37451#0004
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4 (A. 28)

P. Lenard:

Über die Kräfte an Flüssigkeitsoberflächen. — Zur
Abschätzung der an Flüssigkeitsoberflächen wirkenden Kräfte be-
dienen wir uns der von LAPLACE und VAN DER WAALS stammenden
Anschauungen und Gleichungen, und wir nehmen außerdem das
schon oft benutzte exponentielle Kraftgesetz zu Hilfe. Letzteres
ist allerdings nur eine zu Gunsten mathematischer Einfachheit
schematisierte, ganz rohe Darstellung der Wirklichkeit*); man
darf aber — in augenblicklicher Ermangelung von Besserem -—
wohl annehmen, daß bei Beschränkung der Anwendung dieses
Gesetzes auf die großen Züge dieser Kräfte und ihrer Wirkungen
im Wesentlichen Zutreffendes resultieren wirch).
*) Die Darstellung ist treffend insofern, als es sich jedenfalls um Kräfte
handelt, welche mit wachsendem Abstand schnell zur Unmerklichkeit ab-
nehmen. Die Unmerklichkeit tritt dabei in Flüssigkeiten erst in Distanzen
ein, welche den Molekulardurchmesser um ein Mehrfaches überschreiten (,,LAP-
LACE-vAN DERWAALSsche Kräfte", wie man sie genannt hat.) Daß letzteres
der Fall ist, geht wohl unzweifelhaft aus den mehrfach vorliegenden Messun-
gen des Radius der Wirkungssphäre hervor (vgl. aus der neueren Literatur
hierüber besonders G. BAKKER, Zeitschrift für physikal. Chemie 86, 8. 129,
1914). Andererseits zeigen die Erfahrungen der kinetischen Gastheorie an,
daß in Gasen, wo der Raum innerhalb des Radius der Wirkungssphäre um
jedes Molekül fast dauernd leer ist, die Kräfte schon außerhalb des (für seines-
gleichen) undurchdringlichen Molekülvolumens verschwindend klein sein
müssen (,,BOLTZMANN-VAN DER WAALSSChe Kräfte", Vgl. IAAMERLINGH-
ONNEs und W. H. KEESOM, LeydenComm. 11, Supplement 23, S. 705). Beides
zusammengenommen scheint mir anzuzeigen, daß die zwischen zwei Mole-
külen wirkenden Kräfte nicht vom Abstand (und der räumlicher Orientierung)
der beiden Moleküle allein abhängen, sondern auch davon, ob der Zwischen-
raum leer oder mit anderen Molekülen ausgefüllt ist; letzterer Fall, der in
Flüssigkeiten statthat, ergäbe nach Vorstehendem größere Kräfte (größere
Wirkungssphären), und hiermit stimmt auch die Abnahme des Radius der
Wirkungssphäre in Flüssigkeiten mit steigender Temperatur überein (vgl.
8. 6, 7 u. Note 79). Daß dennoch VAN DER WAALS mit großer Annäherung die
kinetische Gastheorie auf die Flüssigkeiten übertragen konnte, wäre dann
dadurch zu erklären, daß die Molekularkräfte im Innern der Flüssigkeiten
(nicht der festen Körper, wo spezielle Lagen dicht benachbarter Moleküle
dauernd Vorkommen) größtenteils im Mittel sich aufheben (was in der Tat
bereits bei LAPLACE der Grundgedanke zur Behandlung der Molekularkräfte der
Flüssigkeiten ist), wodurch der große Unterschied zwischen Flüssigkeiten und
Gasen in der Raumerfüllung' und also auch in der Distanzwirkung der
Molekularkräfte seine komplizierende Wirkung verliert.
2) In Wirklichkeit sind die Molekularkräfte überhaupt nicht kontinuier-
liche Funktion der Raumkoordinaten, da die Moleküle den Raum nicht
kontinuierlich erfüllen; dies ist es, was in erster Linie und jedenfalls die
Notwendigkeit zeigt, das exponentielle Gesetz und auch alle sonstigen bisher an-
 
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