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Lenard, Philipp [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1914, 28. Abhandlung): Probleme komplexer Moleküle, 2: Molekularkräfte und deren elektrische Wirkung ; Wasserfallelektrizität — Heidelberg, 1914

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37451#0022
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22 (A. 28)

P. Lenard:

bis die kapillar gehobene Flüssigkeitssäule sinkt, so ist damit die
zeitliche Änderung der Oberflächenspannung nachgewiesen und
verfolgbar gemacht^). Die bisher nach dieser Methode ausgeführ-
ten Beobachtungen zeigten ein Sinken der Spannung an frischen
reinen Oberflächen bei Wasser, Äthylalkohol und bei einigen
Mischungen von Alkohol und Glyzerin, dagegen keine Änderungen,
welche etwa 0,001 Sek. überschritten, bei Benzol und bei Nitroben-
zol. Die Dauer der Änderung bei Wasser war rund 0,01 Sek.,
nach welcher Zeit der stationäre Endwert der Spannung fast schon
erreicht gefunden wurde; bei einigen der wässerigen Mischungen
war die Zeit etwa doppelt so lang. Der Sinn der beobachteten
Änderungen, nämlich zeitliche Abnahme, und die Tatsache, daß
alle Flüssigkeiten, bei welchen die Änderungen zu beobachten waren,
auch aus anderen Gründen als molekulare Gemische zu betrachten
sind, Benzol und Nitrobenzol dagegen als einheitliche Flüssigkei-
ten, entspricht ganz der Erklärung durch die zeitliche Ausbildung
der übergelagerten Schicht einfacher Moleküle. Die beobachtete
Zeitdauer der Änderung, z. B. bei Wasser, müßte, wie das
Vorhergehende zeigte, dahin gedeutet werden, daß nicht die kom-
plexen, sondern die einfacheren, an der Oberfläche sich häufenden,
die geringeren Endspannungen ergebenden Moleküle in der Minder-
zahl vorhanden sind, und zwar sogar in sehr geringer Zahl.
2. Verdampfungsgeschwindigkeit. — Die von einer Flüs-
sigkeitsoberfläche abdampfenden Moleküle entstammen der äußer-
sten Oberflächenschicht, in welcher bei nicht homogenen Flüssig-
keiten auch gerade die der Verdampfung zugänglicheren, weniger
stark ins Innere gezogenen Moleküle durch Wirkung der Molekular-
kräfte sich häufen. Sind die verdampfbaren Moleküle überhaupt nur
in geringer Zahl in der Flüssigkeit vorhanden, so müßte die Flüssig-
keit eine begrenzte Verdampfungsgeschwindigkeit zeigen, indem
nicht mehr in der Zeiteinheit verdampfen könnte, als unter dem Ein-
fluß von Diffusion und Oberflächenkräften aus dem Inneren an die
Oberfläche geschafft wird. Es würde also die Auffindung endlicher
Verdampfungsgeschwindigkeiten ebenfalls zur Erforschung der
Konstitution der Flüssigkeitsoberflächen beitragen. Die Bemü-
hungen hierzu haben allerdings bisher noch keinen befriedigenden
Erfolg gehabt; es scheint noch bei keiner Flüssigkeit eine Grenze der
Verdampfungsgeschwindigkeit unzweifelhaft konstatiert zu sein.
Es sei in dieser Beziehung nur die neuere Untersuchung von Herrn

2S) R. Hiss, Diss. Heidelberg-, 26. Juli 1913.
 
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