Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte. (A. 1) 5
bildes zu liegen, die ebenfalls längst verschwundenen oder zu
Epigonen zusammengeschrumpften, aber weniger leicht nachweis-
baren geologischen Faktoren ihre Entstehung verdanken.
Auf meinen Unterrichtsausflügen in den Kraichgau südlich
von Heidelberg stieß ich bei der Erklärung bestimmter jetzt wasser-
armer oder wasserfreier Talsenken auf eine eigentümliche Schwie-
rigkeit. Ich erklärte meinen Zuhörern ganz im Sinne des Grund-
satzes des erweiterten Aktualismus, daß diese Talfurchen durch
die Jahrtausende währende Summierung der kleinen Erosions-
wirkungen von unbedeutenden Bächen oder vorübergehend ge-
bildeten Regenrinnsalen entstanden seien. Dabei fiel es mir aber
schwer aufs Herz, daß der Zeitraum, den wir dafür zur Verfügung
haben, doch gar nicht so unbeschränkt groß ist, wie ihn die Theorie
eigentlich erfordert, und daß in vielen Fällen die heute waldfreien
Senken früher bewaldet gewesen sein dürften und damals also der
Erosion des fließenden Wassers einen noch wesentlich größeren
Widerstand entgegengesetzt haben müssen als jetzt.
Das ungewöhnlich breite Tal der Elsenz* und zahlreicher
anderer kleiner Bäche, in denen die heutigen Gewässer wie Zwerge
im Bett eines Biesen aussehen, erklärte ich, wie üblich, durch die
stetige Wiederholung kleiner seitlicher Erosionswirkungen des heu-
tigen Baches. Ich war aber selbst von dieser Erklärung nicht be-
friedigte Ähnlich ging es mir bei der Erklärung der Felsenmeere
im Odenwald und anderen deutschen Mittelgebirgen. Während ich
sie früher aus noch jetzt wirksamen Vorgängen zu erklären suchte,
brachte mich das Studium von HöGBons schöner Arbeit über die
Wirkungen des Frostes zusammen mit meinen eigenen Beobach-
tungen zu der Anschauung, die ich vor einiger Zeit in einer
besonderen Arbeit veröffentlicht habeT Ich erkannte nämlich,
daß diese Landschaftsform sich jetzt nicht mehr weiterbildet, son-
dern im Gegenteil durch die heutigen geologischen Faktoren all-
mählich zerstört wird. So blieb nur ihre Erklärung durch Soli-
ftuktion übrig, also durch einen Vorgang der quantitativ weit über
1 Oberhalb Mauer; denn unterhalb Mauer ist es ja das alte Neckartal.
2 Wunderschöne tote Taler, zum Teil ganz ohne Wasserrinnsale, zum
Teil mit zwerghaften Bächen, sah ich im Sommer 1916 auf einer Eisenbahn-
fahrt von Schweinfurt nach Waigolshausen und auch weiterhin gegen Würz-
burg in dem dortigen Keupergebiet.
^ Die Bedeutung der Solifluktion für die Erklärung deutscher Land-
schal'ts- und Bodenformen. Geologische Rundschau, Band' YII, S. 30—41.
bildes zu liegen, die ebenfalls längst verschwundenen oder zu
Epigonen zusammengeschrumpften, aber weniger leicht nachweis-
baren geologischen Faktoren ihre Entstehung verdanken.
Auf meinen Unterrichtsausflügen in den Kraichgau südlich
von Heidelberg stieß ich bei der Erklärung bestimmter jetzt wasser-
armer oder wasserfreier Talsenken auf eine eigentümliche Schwie-
rigkeit. Ich erklärte meinen Zuhörern ganz im Sinne des Grund-
satzes des erweiterten Aktualismus, daß diese Talfurchen durch
die Jahrtausende währende Summierung der kleinen Erosions-
wirkungen von unbedeutenden Bächen oder vorübergehend ge-
bildeten Regenrinnsalen entstanden seien. Dabei fiel es mir aber
schwer aufs Herz, daß der Zeitraum, den wir dafür zur Verfügung
haben, doch gar nicht so unbeschränkt groß ist, wie ihn die Theorie
eigentlich erfordert, und daß in vielen Fällen die heute waldfreien
Senken früher bewaldet gewesen sein dürften und damals also der
Erosion des fließenden Wassers einen noch wesentlich größeren
Widerstand entgegengesetzt haben müssen als jetzt.
Das ungewöhnlich breite Tal der Elsenz* und zahlreicher
anderer kleiner Bäche, in denen die heutigen Gewässer wie Zwerge
im Bett eines Biesen aussehen, erklärte ich, wie üblich, durch die
stetige Wiederholung kleiner seitlicher Erosionswirkungen des heu-
tigen Baches. Ich war aber selbst von dieser Erklärung nicht be-
friedigte Ähnlich ging es mir bei der Erklärung der Felsenmeere
im Odenwald und anderen deutschen Mittelgebirgen. Während ich
sie früher aus noch jetzt wirksamen Vorgängen zu erklären suchte,
brachte mich das Studium von HöGBons schöner Arbeit über die
Wirkungen des Frostes zusammen mit meinen eigenen Beobach-
tungen zu der Anschauung, die ich vor einiger Zeit in einer
besonderen Arbeit veröffentlicht habeT Ich erkannte nämlich,
daß diese Landschaftsform sich jetzt nicht mehr weiterbildet, son-
dern im Gegenteil durch die heutigen geologischen Faktoren all-
mählich zerstört wird. So blieb nur ihre Erklärung durch Soli-
ftuktion übrig, also durch einen Vorgang der quantitativ weit über
1 Oberhalb Mauer; denn unterhalb Mauer ist es ja das alte Neckartal.
2 Wunderschöne tote Taler, zum Teil ganz ohne Wasserrinnsale, zum
Teil mit zwerghaften Bächen, sah ich im Sommer 1916 auf einer Eisenbahn-
fahrt von Schweinfurt nach Waigolshausen und auch weiterhin gegen Würz-
burg in dem dortigen Keupergebiet.
^ Die Bedeutung der Solifluktion für die Erklärung deutscher Land-
schal'ts- und Bodenformen. Geologische Rundschau, Band' YII, S. 30—41.