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W. SALOMOS:
das heutige Gekriech und Bodenfließen hinausgeht. Die weit-
gehende Verrutschung lockerer Gehängeschuttmassen, tertiärer
Mergel und Tone, mußte ich derselben Ursache zuschreiben. Die
riesigen Bergstürze der Alpen sind, wie schon von anderer Seite
hervorgehoben wurde, z. T. wohl nur als Folge glazialer Unter-
schneidung der Hänge und der beim Wegschmelzen des Eises in
Wegfall kommenden seitlichen Unterstützung zu erklären.
Die tiefliegenden Karrenfelder von Bürgenstock und Axen-
stein am Vierwaldstättersee sind heute an den meisten Stellen
von Humus und Pflanzendecken verhüllt. Sie bilden sich nicht
mehr weiter, sondern sind in einer weit zurückliegenden Zeit unter
dem Einfluß längst verschwundener klimatischer Faktoren ent-
standen.
Die Dünenlandschaften, die sich in der Oberrheinischen Ebene
aus der Frankfurter Gegend über Darmstadt, Friedrichsfeld und
Karlsruhe weit nach Süden verfolgen lassen, sind ebenfalls tot.
Die Sandanhäufungen durch den Wind konnten nur in einer Zeit
stattfinden, in der weite vegetationsarme Uberschwemmungs-
felder den Bhein begleiteten, was zwar noch im ältesten Teil des
Alluviums der Fall war, jetzt aber nicht mehr zutrifft.
Die sonderbaren Verwitterungsfnrmen des Quadersandsteins
der sächsischen Schweiz und des Buntsandsteins der Pfalz hat
man von gewisser Seite durch diluviale Windwirkungen zu erklären
versucht, also ebenfalls durch einen heute dort nicht mehr oder
wenigstens nur noch m epigonenhafter Stärke vorhandenen Vor-
gang. Ich glaube nicht, daß diese Auffassung zu Hecht besteht;
aber es tut nichts zur Sache, ob sie richtig oder falsch ist. Unbe-
stritten bleibt es, daß wir zahlreiche Landschaftsformen durch
Vorgänge erklären müssen, die in der Gegenwart m ihrem Verbrei-
tungsgebiete überhaupt nicht mehr auftreten, oder in zwerghafter
Verkleinerung, daß die Formen also in demselben Sinne fossil sind,
wie die IJberreste eines Organismus einer früheren Erdperiode. So
kam ich zu dem Begriff der fossilen oder toten Landschaft im
Gegensatz zu der rezenten, noch lebenden Landschaft, deren Bil-
dung noch weitergeht, während jene allmählich verfällt und zer-
stört wird. Ein sehr großer Teil von Norddeutschland und ein
ebenfalls sehr großer Teil unserer deutschen Mittelgebirge scheint
mir das Gepräge fossiler Landschaften zu besitzen. Fast überall
ist es die Diluvialzeit, die, sei es durch Eis oder Schnee, sei es durch
W. SALOMOS:
das heutige Gekriech und Bodenfließen hinausgeht. Die weit-
gehende Verrutschung lockerer Gehängeschuttmassen, tertiärer
Mergel und Tone, mußte ich derselben Ursache zuschreiben. Die
riesigen Bergstürze der Alpen sind, wie schon von anderer Seite
hervorgehoben wurde, z. T. wohl nur als Folge glazialer Unter-
schneidung der Hänge und der beim Wegschmelzen des Eises in
Wegfall kommenden seitlichen Unterstützung zu erklären.
Die tiefliegenden Karrenfelder von Bürgenstock und Axen-
stein am Vierwaldstättersee sind heute an den meisten Stellen
von Humus und Pflanzendecken verhüllt. Sie bilden sich nicht
mehr weiter, sondern sind in einer weit zurückliegenden Zeit unter
dem Einfluß längst verschwundener klimatischer Faktoren ent-
standen.
Die Dünenlandschaften, die sich in der Oberrheinischen Ebene
aus der Frankfurter Gegend über Darmstadt, Friedrichsfeld und
Karlsruhe weit nach Süden verfolgen lassen, sind ebenfalls tot.
Die Sandanhäufungen durch den Wind konnten nur in einer Zeit
stattfinden, in der weite vegetationsarme Uberschwemmungs-
felder den Bhein begleiteten, was zwar noch im ältesten Teil des
Alluviums der Fall war, jetzt aber nicht mehr zutrifft.
Die sonderbaren Verwitterungsfnrmen des Quadersandsteins
der sächsischen Schweiz und des Buntsandsteins der Pfalz hat
man von gewisser Seite durch diluviale Windwirkungen zu erklären
versucht, also ebenfalls durch einen heute dort nicht mehr oder
wenigstens nur noch m epigonenhafter Stärke vorhandenen Vor-
gang. Ich glaube nicht, daß diese Auffassung zu Hecht besteht;
aber es tut nichts zur Sache, ob sie richtig oder falsch ist. Unbe-
stritten bleibt es, daß wir zahlreiche Landschaftsformen durch
Vorgänge erklären müssen, die in der Gegenwart m ihrem Verbrei-
tungsgebiete überhaupt nicht mehr auftreten, oder in zwerghafter
Verkleinerung, daß die Formen also in demselben Sinne fossil sind,
wie die IJberreste eines Organismus einer früheren Erdperiode. So
kam ich zu dem Begriff der fossilen oder toten Landschaft im
Gegensatz zu der rezenten, noch lebenden Landschaft, deren Bil-
dung noch weitergeht, während jene allmählich verfällt und zer-
stört wird. Ein sehr großer Teil von Norddeutschland und ein
ebenfalls sehr großer Teil unserer deutschen Mittelgebirge scheint
mir das Gepräge fossiler Landschaften zu besitzen. Fast überall
ist es die Diluvialzeit, die, sei es durch Eis oder Schnee, sei es durch