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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1918, 1. Abhandlung): Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.36420#0015
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Tote Landschaften und der Gang der Erdgeschichte. (A. 1) 7

stärkere Tätigkeit des Windes bezw. größere Wassermengen den
Landschaften das Gepräge gegeben hat. Die hente, vor unseren
Augen, wirksamen geologischen Faktoren sind in dem rund auf
etwa 15000 Jahre zu bemessenden Zeiträume seit dem Verschwin-
den der letzten Vereisung in weiten Gebieten nicht imstande ge-
wesen, das alte Antlitz der Landschaft zu zerstören. Wie es aber
die Aufgabe des Paläontologen ist, aus den disjecta membra eines
Tieres der Vorzeit dieses selbst, so wie es lebte, zu rekonstruieren,
so ist es die Aufgabe des Geologen und natürlich auch des ähnliche
Zwecke verfolgenden Geographen, aus dem Antlitz der toten Land-
schaft heraus die Vorgänge zu konstruieren, die sie einst schufen.
Es fragt sich nun, ob diese Vorgänge, die einer Landschaft auf so
lange Zeit das Gepräge verleihen und deren Wirkungen nur so
langsam wieder zerstört werden, sich stets in gleichmäßiger schnek-
kenhafter Langsamkeit abgespielt haben, wie wir das meist anzu-
nehmen pflegen. Die alte Kataklysmen- oder Katastrophen-
theorie glaubte das nicht; aber der Grundsatz des Aktualismus hat
sie ja, wie wir sahen, völlig vernichtet.
Untersuchen wir daher, ob unsere heutigen Vorstellungen wirk-
lich streng und allgemein gültig sind. Schon mehrfach haben sich
einzelne Forscher in neuerer Zeit dagegen gewandt^ und hervor-
gehoben, daß es, wenn auch nicht erdumspannende Kataklysmen,
so doch tief einschneidende Lokalkatastrophen gegeben hat. Und
es ist wohl wirklich fraglos, daß scharfe, über ein größeres Gebiet
verfolgbare Formationsgrenzen auf Ereignisse zurückzuführen sind,
die in gewissem Sinne katastrophal gewirkt haben. Ich erinnere
nur an die großen Transgressionen der Meere, an die Klimaänderung
beim Beginn der diluvialen Vereisung, an plötzliche Verbindungen
und Abtrennungen von Meeres- und Landprovinzen, wie sie schon
durch unbedeutende tektonische Ereignisse erzeugt werden können.
Auch die dadurch bewirkte Uberwanderung von überlegenen Wett-
bewerbern im Kampfe ums Dasein oder das Ausbleiben der ge-
wohnten Nahrung einer Tiergruppe infolge solcher Ereignisse kann
wie eine Katastrophe wirken, wenn sich auch natürlich alle solchen
Ereignisse nicht im Sinne der Katastrophen des gewöhnlichen
menschlichen Lebens in wenigen Tagen oder Jahren abgespielt
i Ich glaube mich z. B. auf eine derartige Äußerung PniLippis zu be-
sinnen; und auch JoHAKNES WALTHER dürfte sich einmal in diesem Sinne
ausgesprochen haben.
 
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