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Perron, Oskar; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1920, 7. Abhandlung): Paul Stäckel — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.36515#0004
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4 (A.7)

OSKAR PERRON:

Lehrer bezeichnen. Vielmehr zeigt sich schon in seinen ersten
Arbeiten die Selbständigkeit seines Denkens. Dabei gibt es auf
den weiten Gefilden der Mathematik kaum ein Gebiet, auf dem
er sich nicht betätigt hätte. Analysis, Geometrie, Mechanik, Ge-
schichte der Mathematik, Unterrichtswesen: all diese Zweige haben
reichste Förderung durch ihn erfahren. Es ist nicht möglich, im
Rahmen dieses kurzen Abrisses all seinen wissenschaftlichen Lei-
stungen gerecht zu werden. Nur das Wichtigste soll in großen
Linien zu zeichnen versucht werden.
In seiner Dissertation beschäftigt sich STÄCKEL mit einem
Problem der Mechanik, der Bewegung eines Punktes auf einer
Fläche, wenn eine Kräftefunktion existiert, die von der Zeit nicht
abhängt. Bereits hier sehen wir deutlich die Keime für mehrere
fruchtbare Gedanken, zu denen STÄCKEL später wiederholt zurück-
gekehrt ist. So wird bemerkt, daß die HAMiLTON-jACOBische Dif-
ferentialgleichung des Problems unverändert bleibt, wenn die
Fläche irgendwie verbogen wird, und die Kräftefunktion dabei in
gewisser Weise der Verbiegung folgt. Wenn daher für das ur-
sprüngliche Problem die Lösung gefunden ist, so sind unzählig
viele andre Probleme ebenfalls gelöst; die Bahnkurven auf der
verbogenen Fläche sind dabei einfach die Kurven, welche aus den
Bahnkurven der ursprünglichen Fläche bei der betreffenden Ver-
biegung hervorgehen. Darin erkennt man die erste Spur für ein
Prinzip, das STÄCKEL später als »analytische Äquivalenz dynami-
scher Probleme« bezeichnet hat. Es besteht darin, daß die Diffe-
rentialgleichungen eines dynamischen Problems stets mehrere
Interpretationen zulassen, indem auch andre Probleme zu den
nämlichen Gleichungen führen, wo dann nur die auftretenden
Größen andre Bedeutung haben. Im 107. Bande des CRELLE-
schen Journals, auf Seite 324, sagt STÄCKEL: »Es ist zu unter-
scheiden zwischen der mechanischen Einkleidung und dem analy-
tischen Kern der dynamischen Probleme. Die Lösung eines ein-
zigen analytischen Problems liefert häufig die Mittel, ganz ver-
schiedenartige dynamische Probleme zu erledigen, indem es nur
darauf ankommt, die gewonnenen Funktionen derZeit vom Stand-
punkte der Mechanik aus zu deuten und zu diskutieren.«
Um die Sache an dem einfachsten Beispiel klar zu machen,
denken wir uns A* materielle Punkte, die sich mit 72 Freiheitsgra-
den bewegen, der Einfachheit halber ohne Wirkung von äußeren
 
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