PAUL STÄCKEL f.
(A.7) 17
Großes Interesse hat STÄCKEL den arithmetischen Eigenschaf-
ten analytischer Funktionen entgegengebracht. Eine rationale
Funktion mit rationalen Koeffizienten nimmt für rationale Argu-
mentwerte offenbar nur rationale Funktionswerte an; dabei kann
unter einer rationalen Zahl eine reelle rationale Zahl verstanden
werden oder auch eine komplexe Zahl der Form % + M', wo % und &
reelle rationale Zahlen sind. Schon WEIERSTRASS hat erkannt,
daß diese Eigenschaft nicht für die rationalen Funktionen charak-
teristisch ist, sondern daß es auch transzendente Funktionen mit
der gleichen Eigenschaft gibt. In dem Bestreben, ein einfacheres
derartiges Beispiel zu finden, gelangt STÄCKEL in Band 46 der
Mathematischen Annalen zu dem folgenden schönen und weit-
tragenden Theorem: »Ist P eine abzählbare, (1 eine überall dichte
Menge der komplexen Zahlenebene (oder auch beidemal nur der
reellen Achse), so kann man auf unendlich viele Arten ganze tran-
szendente Funktionen bilden, die für Argumentwerte aus der
Menge P nur Funktionswerte aus der Menge (1 annehmen.« Dabei
ist die Konstruktion solcher Funktionen ganz elementar. Wählt
man für P und (7 speziell die Menge der rationalen Zahlen (im
einen oder andern Sinn), so erhält man das WEiERSTRASSsche
Ergebnis.
Eine ganz besondere Begabung hatte STÄCKEL für historische
Forschungen. Seine Arbeiten auf diesem Gebiete sind so zahlreich
und haben ein so wertvolles Material geliefert, daß mit ihnen allein
ein Menschenleben reichlich ausgefüllt gewesen wäre. Zahlreiche
seiner Arbeiten, die nicht auf historischem Gebiete hegen, zeigen
gleichwohl einen historischen Einschlag, da er vielfach den von
ihm behandelten Problemen eine historisch-kritische Einleitung
vorausschickte, wobei er eine wunderbare Vertrautheit mit der
Literatur des 18. Jahrhunderts offenbarte. Seine erste rein histo-
rische Arbeit erschien 1893 in den Berichten der Leipziger Akademie
unter dem Titel: »Bemerkungen zur Geschichte der geodätischen
Linien«. Welche Unsumme von Arbeit, welche Fülle von Material
birgt sich hinter diesem bescheidenen Titel! Es sind wirklich nicht
nur Bemerkungen, was STÄCKEL hier gibt; es ist vielmehr das
vollständige Material für eine Geschichte von den Uranfängen bis
über GAUSS hinaus.
Der ausgezeichnete Scharfsinn, mit dem STÄCKEL wertvolles
historisches Material aufzuspüren verstand, zeigt sich in der Ent-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., math.-naturw. KL A. 1920. 7.Abh.
(A.7) 17
Großes Interesse hat STÄCKEL den arithmetischen Eigenschaf-
ten analytischer Funktionen entgegengebracht. Eine rationale
Funktion mit rationalen Koeffizienten nimmt für rationale Argu-
mentwerte offenbar nur rationale Funktionswerte an; dabei kann
unter einer rationalen Zahl eine reelle rationale Zahl verstanden
werden oder auch eine komplexe Zahl der Form % + M', wo % und &
reelle rationale Zahlen sind. Schon WEIERSTRASS hat erkannt,
daß diese Eigenschaft nicht für die rationalen Funktionen charak-
teristisch ist, sondern daß es auch transzendente Funktionen mit
der gleichen Eigenschaft gibt. In dem Bestreben, ein einfacheres
derartiges Beispiel zu finden, gelangt STÄCKEL in Band 46 der
Mathematischen Annalen zu dem folgenden schönen und weit-
tragenden Theorem: »Ist P eine abzählbare, (1 eine überall dichte
Menge der komplexen Zahlenebene (oder auch beidemal nur der
reellen Achse), so kann man auf unendlich viele Arten ganze tran-
szendente Funktionen bilden, die für Argumentwerte aus der
Menge P nur Funktionswerte aus der Menge (1 annehmen.« Dabei
ist die Konstruktion solcher Funktionen ganz elementar. Wählt
man für P und (7 speziell die Menge der rationalen Zahlen (im
einen oder andern Sinn), so erhält man das WEiERSTRASSsche
Ergebnis.
Eine ganz besondere Begabung hatte STÄCKEL für historische
Forschungen. Seine Arbeiten auf diesem Gebiete sind so zahlreich
und haben ein so wertvolles Material geliefert, daß mit ihnen allein
ein Menschenleben reichlich ausgefüllt gewesen wäre. Zahlreiche
seiner Arbeiten, die nicht auf historischem Gebiete hegen, zeigen
gleichwohl einen historischen Einschlag, da er vielfach den von
ihm behandelten Problemen eine historisch-kritische Einleitung
vorausschickte, wobei er eine wunderbare Vertrautheit mit der
Literatur des 18. Jahrhunderts offenbarte. Seine erste rein histo-
rische Arbeit erschien 1893 in den Berichten der Leipziger Akademie
unter dem Titel: »Bemerkungen zur Geschichte der geodätischen
Linien«. Welche Unsumme von Arbeit, welche Fülle von Material
birgt sich hinter diesem bescheidenen Titel! Es sind wirklich nicht
nur Bemerkungen, was STÄCKEL hier gibt; es ist vielmehr das
vollständige Material für eine Geschichte von den Uranfängen bis
über GAUSS hinaus.
Der ausgezeichnete Scharfsinn, mit dem STÄCKEL wertvolles
historisches Material aufzuspüren verstand, zeigt sich in der Ent-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., math.-naturw. KL A. 1920. 7.Abh.