Metadaten

Deecke, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1923, 1. Abhandlung): Mitteleuropäische Meeresströmungen der Vorzeit — Berlin, Leipzig, 1923

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43565#0005
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mitteleuropäische Meeresströmungen der Vorzeit. 5
rungen zugetragen, ehe der heutige Zustand sich ergab. Abgesehen von
den weniger deutlichen Veränderungen-zwischen Südafrika und Süd-
amerika sei hier an die durch die Säugetierbeziehungen Nordamerikas •
und Eurasiens sehr wahrscheinlich gemachte Landverbindung beider
Kontinentalmassen erinnert. Auch die weite Bedeckung der ebenen
Tiefseeflächen zwischen Schottland und Grönland mit nur in flachem
Wasser lebenden Mollusken (Saxicava, arctica) in lauter toten Exempla-
ren deutet auf einen Abschluß des Ozeans im Norden hin. — Die Folgen
aus dieser früheren, andersartigen Landverteilung sind tiefgehend, weil
der Hauptmeeresstrom ein warmer Gürtelstrom sein mußte, weil lange
Zeit das kalte Wasser der Pole keinen ungehinderten Zutritt zu den Tiefen
der niederen Breiten fand. Wenn, worauf ebenfalls vieles hindeutet,
dies vor allem in der Jura- und Kreidezeit der Fall war, ist zusammen mit
den Tethysströmungen eine kräftigere Durchwärmung der europäischen
Meere jener Zeiten anzunehmen.
Im einzelnen hat Semper diese Frage besprochen für das Alttertiär
und den Einfluß der warmen Wässer mittels der eocänen Fossilien bis
nach Grönland hin nachgewiesen; die damals noch vorhandene Tethys-
strömung begünstigte die Verbreitung ostasiatischer Mollusken bis in den
nordatlantischen Ozean. Daß ebenso die Flora der nördlichen arktischen
Tertiärländer ein wärmeres Klima voraussetzt, ist sehr wahrscheinlich,
obwohl weitgehende speziellere Schlüsse aus den fossilen Pflanzen von
Melville-Land, Grönland und Spitzbergen unsicher bleiben.
Aus dieser allgemeinen Verteilung von Meer und Land während der
langen mesozoischen Periode folgt ein wichtiger Schluß über die Art
der Winde. Mag das Land des Nordkontinentes zeitweilig größere
Binnenseen oder Binnenmeere umschlossen haben, es war eine Land-
masse, südlich deren warme Meeresströmungen liefen. Daher haben wir
im Süden durchweg aufsteigende Luftströme anzunehmen, welche durch
die Axendrehung der Erde abgelenkt wurden und als SW.-Winde wie
heute erscheinen und umgekehrt dazu kontinentale Winde von NO. her
als Ausgleich veranlassen. Die Folge wird eine der Gegenwart ähnliche
gewesen sein. Wir haben nämlich zwischen den nördlichen und südlichen
Festlandsmassen einen Vorläufer des Golfstromes anzunehmen, welcher
an der nordamerikanischen Masse nach NO. entlang lief und, da er nicht
in das Polärmeer eindringen konnte, an dem nordatlantischen Lande
hinstrich und in das europäische Schelfmeer zur Jura- und Kreidezeit
eindrang. Der Strom wurde ein Kreisstrom und lief wahrscheinlich mit
abnehmender Geschwindigkeit in dem mitteleuropäischen Archipelagus
ans oder trat durch dessen enge Pforten in Verbindung mit der ost-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften