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Versluys, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 13. Abhandlung): Über die Phylogenie der Schläfengruben und Jochbogen bei den Reptilia — Heidelberg, 1919

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36565#0020
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20 (B.13)

J. VERSLUYS:

Wohl lassen sich erklärende Gründe für die Rückbildung des
Schläfendaches finden. Als erstes Moment kommt die Notwendig-
keit der Gewichtsersparnis am Kopfskelet im Zusammenhang mit
der Entwicklung eines Halses und einer größeren Beweglichkeit
des Kopfes in Betracht. Der Kopf wird schmäler und damit tritt
ein zweites Moment hervor, der Einfluß der Kaumuskulatur,
welche vom Schläfenpanzer in seiner Bewegung gehemmt wird.
Solange es auf Gewicht und Umfang des Kopfes nicht ankommt,
kann die Schläfenhöhle so geräumig sein, daß freier Spielraum
für die Formänderungen der Kaumuskeln heim Offnen und Schlie-
ßen des Maules und bei etwaigen Kaubewegungen gegeben werden
kannh Sobald aber der Kopf schmäler und die Schläfenhöhle
entsprechend enger wird, wird eine Grenze erreicht werden, wobei
ein geschlossenes Schläfendach anfängt hemmend auf die Form-
änderungen der Muskelmassen bei den Kaubewegungen einzu-
wirken. Dieser Konflikt kann nur durch die Entstehung von Durch-
brechungen des Schläfenpanzers, von Schläfengruben gelöst
werdend
Daß bei der Entstehung einer Durchbrechung die Stelle
bevorzugt wird, wo im vollständigen Schläfendache bei einigen
sehr primitiven Typen das Intertemporale liegt (vgl. Fig. 1), ist
begreiflich. Denn sobald dieser Knochen wegfällt, und er fehlt
schon den weitaus meisten Cotylosauriern, entsteht hier eine Stelle
im Panzer, die sich beim jungen Tiere wohl erst verhältnismäßig
spät schließen dürfte und wo die Einwirkung der Muskeln, es sei
diese eine direkte oder eine indirekte, auf den geringsten Wider-
stand stoßen dürfte. So wird es einigermaßen verständlich, daß
diese Stelle offensichtlich sowohl bei den diapsiden Reptilien, wie
hei den Ichthyosauriern, den Piacodontiern und Sauropterygiern
Ausgangspunkt für die erste Entstehung einer Durchbrechung
war (Fig. 18a, c u. e). Und die Stelle, wo beim Diapsidentypus
die untere Schläfengrube sich als kleine Durchbrechung etwa
angelegt haben muß, ist diejenige wo die Nähte von drei Knochen,
i Dies ist der Fall bei den Schildkröten mit geschlossenem Schläfen-
panzer, die ihren Kopf nicht in die Schale zurückziehen, und ganz besonders
bei den Meeresschildkröten. Das Gewicht des Kopfes spielt hier auch keine
Rolle.
^ Dabei wäre eine direkte Einwirkung der Muskeln auf dem darüber
in Bildung befindlichen Schläfendache während der Entwicklung nicht aus-
geschlossen. Es könnte erst eine Verdünnung, dann eine Durchbrechung
auftreten; vgl. JAEKEL (1902) über
 
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