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Kossel, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 1. Abhandlung): Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften: Rede ... — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41199#0008
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8

A. Kossel:

versprechen, aber je umfassender die Schlußfolgerungen sind, die
man zu erwarten hat, um so schärfer muß die Kritik sein, mit der
man die Zulässigkeit einer solchen Vergleichung prüft.
Die Mahnung zur Vorsicht tritt besonders deutlich hervor,
wenn man die Fähigkeit zur Bildung bestimmter Atomverkettungen
und bestimmter großer Moleküle als eine „erbliche“ Eigentümlichkeit
— im Sinne der Deszendenztheorie — untersucht.
Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen den
Objekten der anatomischen und der chemischen Untersuchung.
Selbst das komplizierteste chemische Gebilde steht dem anatomischen
als etwas sehr einfaches gegenüber. Das Ineinandergreifen der
Kräfte, welche zur Bildung der anatomischen Form führen, ist ein
so eigenartiges und so sehr an bestimmte Bedingungen gebundenes,
daß wir aus der Gemeinsamkeit anatomischer Gestaltung mit Recht
auf das Vorhandensein einer erblichen Anlage schließen. Bezüglich
der chemischen Struktur ist eine solche Schlußfolgerung nicht ohne
weiteres statthaft. Je einfacher ein solches Molekül zusammengesetzt
ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Atome
in der lebenden Substanz zur Bildung dieses Moleküls unter ver-
schiedenen Bedingungen und auf verschiedenen Wegen zusammen-
finden, und um so weniger sind wir berechtigt, sein Auftreten in
der lebenden Zelle mit besonderen der Spezies oder dem Typu's
eigenen erblichen Anlagen in Zusammenhang zu bringen.
Ich möchte versuchen, die Erwägungen, welche sich bei der-
artigen Beobachtungen einstellen können, an einem Beispiel zu er-
läutern. Schon die Untersuchungen, welche FIoppe-Seyler in den
sechziger und siebziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts an-
stellte, wiesen auf die Ähnlichkeit des roten Blutfarbstoffs, des
„Hämoglobins“, mit den grünen Farbstoffen der Pflanzen, der „Chlo-
rophyllgruppe“ hin. Es gelang aus beiden Farbstoffgruppen durch
chemische Eingriffe analoge Reihen von Abkömmlingen zu gewinnen.
Zunächst zeigte sich, daß das große Molekül des Blutfarbstoffs in
zwei Teile zerlegt werden kann, deren einer der Träger des Farb-
stoffcharakters ist, wir wollen diesen Bruchteil des Moleküls hier
als Hämatin bezeichnen. Die Frage nach dem Bau des Hämatins
hat die Biochemiker Nengki, Küster, Hans Fischer u. a. während
der letzten Jahrzehnte andauernd beschäftigt und es gelang allmäh-
lich, zuletzt besonders im Zusammenhang mit den glänzenden Ar-
beiten Willstätters, eine Vorstellung von der Anordnung der Atome
in den Molekülen dieser Farbstoffgruppen zu gewinnen. Das Formel-
 
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