Metadaten

Kossel, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 1. Abhandlung): Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften: Rede ... — Heidelberg, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41199#0010
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
10

A. Kossel:

Stellen wir aus verschiedenen Individuen ein und derselben Spezies,
z. B. des Pferdes, den Blutfarbstoff dar, so erhalten wir immer ein
und dieselbe Substanz. Vergleichen wir diese Substanz aber mit
dem Blutfarbstoff anderer Wirbeltierarten, so sehen wir Abwei-
chungen, die sich z. B. an der Krystallform deutlich ausprägen und
die auf ganz geringe Unterschiede schließen lassen. Steigen wir
nun in der Reihe der Wirbeltiere bis zum Amphioxus herab, so
verschwindet hier der rote Blutfarbstoff ganz. Aber bei einigen
hochentwickelten Wirbellosen, z. B. den Cephalopoden oder Tinten-
fischen, tritt blaues Blut auf und ähnliches wiederholt sich bei
vielen niederen Organismen. Wir haben vorhin gesehen, daß das
Eisen im Blutfarbstoffmolekül eine zentrale Stellung einnimmt und
ich kann hinzufügen, daß die besondere Funktion des Blutfarbstoffs,
die in der Übertragung des Sauerstoffs an die Körperorgane besteht,
an dies Eisenatom geknüpft ist. Nun zeigt sich in dem blauen
Blutfarbstoff der Wirbellosen, dem sogenannten „Hämocyanin“, daß
Kupfer an Stelle des Eisens getreten ist und daß dieses auch als
Sauerstoffträger die Funktion des Eisens übernimmt. Neuere Unter-
suchungen, die an der Weinbergschnecke ausgeführt sind, führen
zu dem Ergebnis, daß auch die Pyrrolringe des Blutfarbstoffs nicht
fehlen und wenn sich dies bestätigt, haben wir in dem Hämocyanin
nicht nur ein physiologisches Analogon, sondern auch bezüglich
des chemischen Baues ein Plomologon zu dem roten Blutfarbstoff
zu erblicken.
Neben dem Hämocyanin findet sich nun bei den Wirbellosen
eine Mannigfaltigkeit anderer, in ihrer chemischen Natur ungenügend
bekannter Bestandteile, die diese Funktion der Sauerstoffübertragung
erfüllen, ungefärbte und gefärbte, rote und grüne, und nun taucht
unter ihnen zwischendurch wieder das Hämoglobin auf, in einzelnen
Kreisen des Tierreichs nur vereinzelt, in anderen, wie z. B. bei Wür-
mern, in weiterer Verbreitung. Wir sehen also wie dieses chemische
Gebilde, auf niederer Stufe des Tierreichs zuerst erscheint, dann
in seiner Funktion bald mehr bald weniger durch andere Gebilde
ersetzt wird, um auf den höchsten Stufen der Organisation das
allein herrschende zu werden. Die Stoffe, die es bei gewissen
Tieren ersetzen, sind in ihrem chemischen Bau noch ungenügend
bekannt, für einige von ihnen liegen aber Anzeichen einer dem
Hämoglobin ähnlichen chemischen Struktur vor, so daß also die
durch ihr Auftreten bewirkte Unterbrechung des systematischen
Zusammenhanges nur eine scheinbare ist.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften