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Kossel, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 1. Abhandlung): Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften: Rede ... — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41199#0015
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Über die Beziehung der Biochemie zu den morphologischen Wissenschaften. 15
Dieses Verhalten der Abkömmlinge des Purins führt uns vor
Augen, wie ein bestimmtes System von Atomen neben seiner ur-
sprünglichen und eigentlichen biologischen Funktion den speziellen
Lebensbedingungen einzelner Arten angepaßt werden kann, und diese
Anpassung kann mit einem chemischen Ausbau des Moleküls ver-
bunden sein. Diese umgewandelte Form wächst gewissermaßen aus
den ursprünglichen Bestandteilen der Zelle, in diesem Falle aus dem
Zellkern, heraus. Dieser Auffassung widerspricht es nicht, daß die-
selbe Atomgruppe auch gelegentlich auf Nebenwegen, etwa in der
Nahrung, in den Körper hineingelangen und dann das Schicksal
anderer Nahrungsstoffe erleiden kann.
So geht auch das Muscarin, der giftige Stoff des Fliegen-
pilzes, aus einem normalen Bestandteil sämtlicher Zellen, dem
Cholin, durch einen ganz einfachen Oxydationsprozeß hervor.
Ein eigenartiges Produkt, welches durch Umwandlung eines
ursprünglichen Gemeinguts aller Zellen entsteht, ist der in Pflanzen
gebildete Indigo. Zu denjenigen Atomgruppen, welche in jedem
lebenden Teil zu finden sind, gehört auch ein Doppelring von
Kohlenstoff- und Stickstoffatomen, der sogenannte Benzopyrrol-
ring. In der ursprünglichen Form gehört er einem Baustein des
Eiweißmoleküls, dem Tryptophan, an. Liier ist an dem Ring eine
Seitenkette von mehreren Atomarten angefügt. In den Pflanzen,
welche den Indigo liefern, ist nun an Stelle der Seitenkette mit
drei Kohlenstoffatomen eine solche mit sechs Atomen getreten, und
diese Substanz, das Indican, die Muttersubstanz des Farbstoffs,
geht an der Luft leicht in den Farbstoff selbst, das In digblau
über. Die Bildung des Indigblau erfolgt, wie man aus den fol-
genden Formelbildern ersehen kann, durch Zusammentritt zweier
Doppelringe.
Nun findet sich in einigen Schneckenarten des Mittelmeers
eine ähnliche Substanz, 'welche durch Belichtung in einen scharlach-
roten Farbstoff übergeführt werden kann, den Purpur der alten
Welt. Die chemische Untersuchung, des antiken Purpurs hat er-
wiesen, daß auch dieser Stoff zu den Abkömmlingen des Benzo-
pyrrols gehört und zwar unterscheidet er sich vom Indigblau nur
dadurch, daß an Stelle von zwei Wasserstoffatomen zwei Brom-
atome eingetreten sind, die die Schnecke aus dem Meerwasser auf-
genommen hat.
 
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