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Hellpach, Willy [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 2. Abhandlung): Das fränkische Gesicht, Folge 1 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41200#0007
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Das fränkische Gesicht. I.

(B. 2) 7

sich im fränkischen Gebiet so gut wie ausschließlich in Physiogno-
mien von ausgeprägt südeuropäischem („mediterranem“) Typus,
z. B. in der moselfränkischen Zone und den benachbarten Land-
strichen. Im übrigen herrscht die lange, gerade, spitze Nase und
eine Fülle „krauser“ Formen vor, bei denen die Nasenspitze gleich-
sam wie ein Fremdstück aufsitzt und im Verhältnis zum Haupt-
teil der Nase oft wie gedreht, abgebogen, abgeknickt, aufgebogen
u. dgl. erscheint. Mit aller Reserve verzeichne ich den Eindruck,
daß eine Hauptverbreitungszone der langen, spitzen Nasenform
die Pfalz, der krausen Formen das mittelfränkische Gebiet ist.
10. Wiederum im augenfälligen Kontrast zum schwäbischen
Gesicht und wohl auch zu den bayrischen Typen sind Asymmetrien
der Gesichtsbildung überaus häufig bei den fränkischen Gesichtern.
Dadurch entsteht ein weiteres Stigma vieler fränkischer Physio-
gnomien, die Biprofilie, d. h. das verschiedene Aussehen der
rechten und linken Seitenansicht. Nur noch in Gegenden Deutsch-
lands, in denen Rachitis sehr heimisch ist, habe ich soviel Zwie-
profiligkeit beobachten können, wie im fränkischen Mundarten-
gebiet, wo dieses Stigma auch ohne alle sonstigen Rachitiszeichen
alltäglich ist.
11. Eine allgemeine Kontrastierung des schwäbischen
Profilgesichts zum fränkischen versagt. Edelformen der Nase,
harmonisch gerundetes Kinnprofil, Gleichprofiligkeit (Monoprofilie)
sind hier häufiger; überhaupt tritt auch im Profil die größere
Regelmäßigkeit der schwäbischen Gesichtsbildung im Vergleich zur
fränkischen hervor. Die Herausarbeitung einer so typischen Profil-
figur, wie sie die rechteckig orientierte Antlitzfigur des schwäbischen
Gesichts darstellte, hat sich als unmöglich erwiesen. Z. B. sind
fliehende Kinne, vor allem fliehende Stirnen, Ungebrochenheit der
Nasenrücken-Stirn-Linie gar nicht selten, namentlich im hoch-
alemannischen Sprachgebiet; die starke Verbreitung des „azte-
kischen“ Profils in den Appenzeller Alpen ist bekannt und begegnet
uns selbst in der volkstümlichen und fremdenindustriellen bild-
lichen Veranschaulichung des Appenzeller Volkstums.
III. Umformbarkeit
(Plastizität).
12. Das fränkische Gesicht wird nicht nur bei den urein-
gesessenen Bewohnern der mundartlich fränkischen Landschaften
gefunden. Es tritt häufig schon in der ersten Nachkommen-
 
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