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Freund, Hermann; Gottlieb, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1921, 3. Abhandlung): Studien zur unspezifischen Reiztherapie: über die Wirkungssteigerung autonomer Nervengifte als Reaktion auf die Umstimmung — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.41201#0004
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4 (B. 3)

H. Freund und R. Gottlieb:

das Einströmen von blutfremden Gewebsplasma in das Blut er-
klären. Danach wäre die direkte oder indirekte Aufnahme blut-
fremder kolloidaler Substanzen das Wesentliche. Sachs1, Widal2,
u. a. sehen demgemäß den gemeinsamen Wirkungsmechanismus
dieser vielfältigen Eingriffe in einer Zustandsänderung der Blut-
kolloide. Ihr von der Norm abweichender physikalischer Zustand3,
ihre „erhöhte Labilität“ (Sachs), verändert nach dieser Auffassung
das Milieu und damit die Zellfunktionen. Praktisch lassen sich aber
auch physikalische Behandlungsmethoden (Besonnung, Böntgen-
bestrahlung usw.) bekanntlich in gleichem Sinne verwenden. Hier
dürften Deutungsversuche, die von dem Übertritt blutfremder
Kolloide ins Blut ausgehen, Schwierigkeiten finden. Vielmehr
muß sich auch die Wirkung gesteigerter Zelltätigkeit in die Er-
klärung mit einbeziehen lassen.
Eine andere, übrigens mit der Annahme einer Veränderung
von Blutkolioiden nicht unvereinbare Erklärung der unspezifischen
Beiztherapie geht von der Giftwirkung der Zellzerfallsprodukte
aus. Sie sieht die Ursache der Umstimmung in der durch die
Vorbehandlung bewirkten Auslösung von Abbauvorgängen des
körpereigenen Eiweißes. Wenn pharmakologisch aktive Produkte
des intermediären Abbaues nach unspezifischen Beizen infolge
gesteigerten Zellzerfalles in abnormer Zusammensetzung oder infolge
gesteigerter Organarbeit in übernormaler Menge zirkulieren, so
können sie den Zustand und die Erregbarkeit der funktionierenden
Elemente verändern. Je nach Art und Umfang des Abbaus muß
es dabei zu vielseitigen Giftwirkungen kommen, die von der Na-
tur und Menge der entstandenen Produkte abhängen: von einer
bloßen „Umstimmung“ im Sinne eines veränderten Ansprechens
auf Beize bis zu einer Schädigung der Funktion, die bis zum Kollaps
oder zur Kachexie führen kann.
Die Annahme, daß Abbauprodukte das eigentlich wirksame
Agens sind, war einer experimentellen Prüfung zugänglich. Ihr
Ausgangspunkt war das Studium der Wirkung der Blutplättchen-
substanzen als Sonderfall der Wirksamkeit von Produkten, die
beim Zellzerfall freiwerden (Freund4). Die Plättchensubstanzen
1 Sachs, Therapeut. Halbmonatshefte. 1920. S. 373 und 405.
2 Widal, Abrami und Brissand, Presse medicale. 1920. Bd. 28, S. 181.
3 Abderhalden, Pflügers Archiv. 1920. Bd. 185, S. 322.
4 Freund, dieses Archiv. 1920. Bd. 86, S. 266 und Bd. 88, S. 39; Med.
Klin. 1920. Nr. 17, S. 437.
 
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