Die Erneuerung des Hegelianismus.
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dition in sich hat. Denn der eigentliche Herd für unser Wissen
von den Kulturwerten ist eben die Geschichte, in der sie mit
der fortschreitenden Zusammenschmelzung der Völker zur Mensch-
heit durch das Ringen der Gesamtheit erworben werden —
Wussenschaft, Moral und Recht ebenso, wie Kunst und Religion.
Der Mensch als Vernunftwesen ist nicht psychologisch gegeben,
sondern historisch aufgegeben. Nur als geschichtliche Wesen,
als die in der Entwicklung begriifene Gattung haben wir Anteil
an der Weltvernunft. Darum ist die Geschichte das wahre
Organon der Philosophie: hegelsch zu reden, der objektive Geist
ist die Wohnstätte des absoluten Geistes.
Deshalb ist die Philosophie von heute wieder im Begriff,
zu. der Hegelschen Methode zurückzukehren: aus dem histo-
rischen Kosmos, wie ihn die Erfahrung der Kulturwissenschaften
darbietet, die Prinzipien der Vernunft herauszuarbeiten. Mit einer
Art von grotesker Vergrößerung und Vergröberung hat man ienen
W^eg von der einen zu der anderen Methode noch einmal durch-
laufen müssen. Die Erneuerung des Kantianismus, wie sie vor
fünfzig Jahren einsetzte, war, wie vorhin erwähnt, einseitig er-
kenntnistheoretisch orientiert, und schon deshalb lief sie, auch
wenri nicht noch andere Momente hinzugekommen wären, sehr
bald in Psychologismus aus und verstrickte sich in einen Rela-
tivismus, dem die Vernunftwerte unter den Händen zerrannen in
anthropologische Notwendigkeiten und Erforderlichkeiten. Aus
der „Ivritik“ wurde schließlich nur eine Konstatierung des em-
pirisch Tatsächlichen und im besten Falle ein Versuch seiner
naturgesetzmäßigen Erklärung; und es war eine unvermeidliche
Konsequenz, daß dieser Psychologismus zeitweilig sich auch die
Ethik und die Ästhetik zu erobern versuchte, als das hoffnungs-
lose Beginnen, die Vernunft, den Sinn und den Wertdes Menschen-
lehens lediglich aus seinen natürlichen Gegebenheiten zu be-
greifen. Das ergab dann zuletzt den Verzicht auf eine eigene
Aufgabe der Philosophie neben der Psychologie und damit zu-
gleich eine Verödung und Entleerung dieser Psychologie selbst,
indem sie zu einem diiettantischen Betriebe desjenigen ver-
kümmerte, was der Physiologe besser macht.
Von diesem Tiefpunkt ihrer W^ellenbewegung hat sich die
Philosophie a.llmählich zu dem ganzen Kritizismus zurückge-
funden, der die historische Grundlage verlangt. Schon wenn
man die xVufgabe der Erkenntnistheorie von der lvritik der Natur-
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dition in sich hat. Denn der eigentliche Herd für unser Wissen
von den Kulturwerten ist eben die Geschichte, in der sie mit
der fortschreitenden Zusammenschmelzung der Völker zur Mensch-
heit durch das Ringen der Gesamtheit erworben werden —
Wussenschaft, Moral und Recht ebenso, wie Kunst und Religion.
Der Mensch als Vernunftwesen ist nicht psychologisch gegeben,
sondern historisch aufgegeben. Nur als geschichtliche Wesen,
als die in der Entwicklung begriifene Gattung haben wir Anteil
an der Weltvernunft. Darum ist die Geschichte das wahre
Organon der Philosophie: hegelsch zu reden, der objektive Geist
ist die Wohnstätte des absoluten Geistes.
Deshalb ist die Philosophie von heute wieder im Begriff,
zu. der Hegelschen Methode zurückzukehren: aus dem histo-
rischen Kosmos, wie ihn die Erfahrung der Kulturwissenschaften
darbietet, die Prinzipien der Vernunft herauszuarbeiten. Mit einer
Art von grotesker Vergrößerung und Vergröberung hat man ienen
W^eg von der einen zu der anderen Methode noch einmal durch-
laufen müssen. Die Erneuerung des Kantianismus, wie sie vor
fünfzig Jahren einsetzte, war, wie vorhin erwähnt, einseitig er-
kenntnistheoretisch orientiert, und schon deshalb lief sie, auch
wenri nicht noch andere Momente hinzugekommen wären, sehr
bald in Psychologismus aus und verstrickte sich in einen Rela-
tivismus, dem die Vernunftwerte unter den Händen zerrannen in
anthropologische Notwendigkeiten und Erforderlichkeiten. Aus
der „Ivritik“ wurde schließlich nur eine Konstatierung des em-
pirisch Tatsächlichen und im besten Falle ein Versuch seiner
naturgesetzmäßigen Erklärung; und es war eine unvermeidliche
Konsequenz, daß dieser Psychologismus zeitweilig sich auch die
Ethik und die Ästhetik zu erobern versuchte, als das hoffnungs-
lose Beginnen, die Vernunft, den Sinn und den Wertdes Menschen-
lehens lediglich aus seinen natürlichen Gegebenheiten zu be-
greifen. Das ergab dann zuletzt den Verzicht auf eine eigene
Aufgabe der Philosophie neben der Psychologie und damit zu-
gleich eine Verödung und Entleerung dieser Psychologie selbst,
indem sie zu einem diiettantischen Betriebe desjenigen ver-
kümmerte, was der Physiologe besser macht.
Von diesem Tiefpunkt ihrer W^ellenbewegung hat sich die
Philosophie a.llmählich zu dem ganzen Kritizismus zurückge-
funden, der die historische Grundlage verlangt. Schon wenn
man die xVufgabe der Erkenntnistheorie von der lvritik der Natur-