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Weber, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 7. Abhandlung): Ein Hermes-Tempel des Kaisers Marcus — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32153#0038
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Wilhelm Weber :

Baumeister des Ptolemäers, der die Landesreligion seinen Lands-
leuten erschlossen hat und diesem hyhriden Gedanken eine wür-
dige Stätte hat bereiten wollen. Dem ordnenden Sinn des Griechen
dankt er die strenge Konzentration der Form und die einheit-
liche Durchführung des Daches, die freie Gestaltung der Halle,
die sinnvolle A-usbildung der tragenden Glieder. 125)

Neben der unbeirrt sich entwickelnden Richtung des rein
ägyptischen Tempelstils, der nur selten und ganz bedeutungslos
fremde Glieder aufnimmt, geht dieser neue her. Vielleicht, daß
dem Griechen die starke Betonung der Horizontalen wider-
strebte, die nur ein Abschluß der aufstrebenden Frontglieder
ist 126), kein Zusammenbinden. Ein Charakteristikum der Bau-
kunst dieser Epoche ist jedenfalls die schön und machtvoll ge-
schwungene Linie, die in Fassaden wie Grundrissen ausgenützt
wird. —•

Wir haben immer nur vom „Tempel“ gesprochen; und dies
nur deswegen, weil darin alle Größenverhältnisse ohne Mißver-
ständnis untergebracht werden können. Denn wir wissen davon
zu wenig. Ist unter den altägyptischen Gewölben keines, dessen
Spannung 5 m übersteigt, so ist dies kein bindender Beweis für
die Größe des Tempels, gar des Heiligtums in Rom. Der Ver-
such, die Größe des Hermestempels auf 8—10 m zu bestimmen
(Anm. 31), wird wohl gerechtfertigt scheinen, wenn man an
die Spannweite römischer Gewölbe 127) in dieser Zeit denkt und
das Material berücksichtigt. Ich denke mir die meisten der ägyp-
tischen Beispiele in etwas kleineren Verhältnissen; damit ist
Spielraum genug zwischen der Größe von Prunkbauten, wie etwa

125) lhnen wircl auch die Beschränkung auf den einen Hauptraum, wie
es im griechischen Tempel Sitte isi zuzuschreiben sein. Daß Griechen äg.
Bauwerke imitierten, zeigt die Lit. des Deinocharesproblems, Anm. 111. Daß
die Griechen vereinzelt das Prinzip des Bogens kanntei (V. .Thdt., Noack,
liöm. Mitt., 1897, 199 f.), sogar die Decke eines Grabhauses (fast 6 m)
wölbten (Charmylion in Kos, 4. Jhdt., Ross, Arch. Äufs., II, 392f., Taf. V,

3—7 ; IIerzog, Koische Forsch., S. 139, 165) be-weist nichts dagegen. Auch
die Tonnen von Didyma sind erst um 300, die Pergamener viel später zu
setzen, als unser konstruierter Tempel; zudem sind alle Beispiele entfernt
von der Idee des überwölbten Kultraums. Nur das beweist alles, daß die
größere Kühnheit im Spannen in der Zeit des He'lenismus einsetzt.

126) Entsprechend der symbolischen Bedeutung der Decke. Dieser Ge-
danke liegt dem Griechen fern.

127) Durm, Bkst. d. Römer, 174, für Halbzylindergewölbe. Schwieriger
ist die Konstruktion der Flachgewölbe, die nach unserer Theorie auf 5 m
Spannweite zu beschränken ist. Ilandb. f. ArchitIII, 2, 3, S. 162
(Körner).
 
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