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Bezold, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 2. Abhandlung): Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre bei den Babyloniern — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32164#0014
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14

C. Bezold:

Versuchen wir nun, die Resultate der babylonischen
Astronomie auf dem Höhepunkt dieser Wissenschaft, um
die Zeit von Christi Geburt zusammenzufassen, so gipfeln sie —
abgesehen von allen Einzelheiten — in folgenden Punkten :

1. Die Babylonier hatten zwei Systeme zur Berechnung des
Mondlaufs. Sie kannten die Dauer des mittleren synodischen
und des mittleren anomalistischen Monats_ sowie das Verhältnis
beider Arten von Monaten zu einander (wie 251 zu 2Ö9) 36).

2. Sie kannten den anomalistischen Lauf der Sonne, ihre
g'rösste und kleinste Geschwindigkeit, aber auch ihre mittlere
Geschwindigkeit und somit das siderische Jahr, d. h. die Zeit, in
der die Sonne bei ihrem scheinbaren Lauf um die Erde zu einem
bestimmten Lixstern zurückkehrt; als solchen nahmen sie Betei-
geuze und später Sirius an 37).

3. Sie erkannten, ausgehend von den Beobachtungen der
heliakischen Auf- und Untergänge der Planeten die wechselnde
synodische sowohl als die siderische Geschwindigkeit dieser
Himmeiskörper und operierten bei der Bestimmung ihrer Um-
laufsdauer (und zwar sicher schon in der zweiten Hälfte des
3. vorchristl. Jahrh.) zunächst mit den gewöhnlichen Perioden,
d. h. der Wiederkehr gleicher geozentrischer Oerter: für Venus
von 8, für Merkur von 46, für Saturn von 59, für Mars von
79 oder 47 und für Jupiter von 83 Jahren 38). Eigentümlich ist
ihnen daneben die — vermutlich astrologischen Spekulationen
dienende — Zusammensetzung dieser Perioden zu sogenannten
»Riesenperioden«: für Venus von 6400, für Saturn von 589,
für Mars von 284 und für Jupiter von 344 Jahren 39).

4. Sie bedienten sich ebenso mehrerer Mondperioden, die
zugleich eine Beziehung zum Sonnenlauf enthielten, u. a. einer
kleinen Periode von 18 julianischen Jahren und 11 Tagen, und
einer (übrigens unwahren) 684 jährigen »Riesenperiode«, die zur
Voransagung von Linsternissen dienen sollte 40).

5. In einzelnen Lällen gelang es ihnen auch, die schnellste und
langsamste Planetenbewegung und das Gesetz ihrer Aenderung
durch den ungleichmässigen Jahreslauf der Sonne, d. h. also den
anomalistischen Lauf der Planeten annähernd zu bestimmen 41).

6. Sie entdeckten die Beziehung zwischen dem synodischen
Monat und dem synodischen Jupiterumlauf und fanden das Ver-
hältnis vom synodischen Jupiterumlauf zum siderischen Jahr
(wie 391 zu 427). Ja sie erhielten — und das ist der Kulmina-
 
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