Hochverehrte Anwesende!
Astronomie ist die Wissenschaft von der erkennbaren Natur
und den Beweg'ung'en der Himmelskörper, Astrologie die Be-
ziehung dieser Bewegungen zu den Geschicken der Menschheit.
Die Astronomie ist ohne Maass und Zahl undenkbar; die Astro-
logie kann lhrer entraten, muss es aber nicht. Beobachtungen
des gestirnten Himmels und Aufzeichnungen darüber, z. B. über
Sonnenbahn und Mondlauf, Planetenbewegungen, atmosphärische
und andere Verdunkelungen, können auch von solchen gemacht
werden, die keine »Astronomen« sind. Die Astronomie trat
zeitweise in den Dienst der Astrologie, z. B. im Mittelalter bis
zu Luther’s Tagen, wie sie nachmals der Astrophysik dienstbar
geworden ist.
Dieser selbstverständlichen und wohl von Niemanden be-
strittenen Sätze werden auch die Assyriologen eingedenk bleiben
müssen, wenn sie innerhalb ihrer eigenen Wissenschaft Umschau
halten nach den ersten Spuren, der Entwicklung und dem Höhe-
punkt der Astronomie im alten Babylonien-Assyrien, worauf
ich heute die Ehre habe Ihre Aufmerksamkeit zunächst zu lenlcen.
Dass die Astronomie in Babylon, bei den sogenannten
»Chaldäern«, eine Heimstätte hatte, war aus den Klassikern,
wie Herodot und Plinius, längst bekannt. Die seit der Mitte
des vorigen Jahrhunderts vorgenommenen Ausgrabungen und
Entzifferungen der Keilschriftmonumente, vor allem die Ent-
deckung der umfangreichen Bibliothek Sardanapal’s, berechtigten
daher zu der Hoffnung, in den neugefundenen Sprach- und
Kunstdenkmälern auch authentische Urkunden astronomischen
Inhalts zu entdecken. Und diese Hoffnung schien sich alsbald
zu erfüllen. Als der Geburtstag solcher Entdeckungen ist der
7. März 1853 anzusehen, an dem der Irländer Hincks eine Liste
mit Monatsnamen beschrieb 1). Ihr folgten die Veröffentlichungen
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1911. 2. Abh. 1
Astronomie ist die Wissenschaft von der erkennbaren Natur
und den Beweg'ung'en der Himmelskörper, Astrologie die Be-
ziehung dieser Bewegungen zu den Geschicken der Menschheit.
Die Astronomie ist ohne Maass und Zahl undenkbar; die Astro-
logie kann lhrer entraten, muss es aber nicht. Beobachtungen
des gestirnten Himmels und Aufzeichnungen darüber, z. B. über
Sonnenbahn und Mondlauf, Planetenbewegungen, atmosphärische
und andere Verdunkelungen, können auch von solchen gemacht
werden, die keine »Astronomen« sind. Die Astronomie trat
zeitweise in den Dienst der Astrologie, z. B. im Mittelalter bis
zu Luther’s Tagen, wie sie nachmals der Astrophysik dienstbar
geworden ist.
Dieser selbstverständlichen und wohl von Niemanden be-
strittenen Sätze werden auch die Assyriologen eingedenk bleiben
müssen, wenn sie innerhalb ihrer eigenen Wissenschaft Umschau
halten nach den ersten Spuren, der Entwicklung und dem Höhe-
punkt der Astronomie im alten Babylonien-Assyrien, worauf
ich heute die Ehre habe Ihre Aufmerksamkeit zunächst zu lenlcen.
Dass die Astronomie in Babylon, bei den sogenannten
»Chaldäern«, eine Heimstätte hatte, war aus den Klassikern,
wie Herodot und Plinius, längst bekannt. Die seit der Mitte
des vorigen Jahrhunderts vorgenommenen Ausgrabungen und
Entzifferungen der Keilschriftmonumente, vor allem die Ent-
deckung der umfangreichen Bibliothek Sardanapal’s, berechtigten
daher zu der Hoffnung, in den neugefundenen Sprach- und
Kunstdenkmälern auch authentische Urkunden astronomischen
Inhalts zu entdecken. Und diese Hoffnung schien sich alsbald
zu erfüllen. Als der Geburtstag solcher Entdeckungen ist der
7. März 1853 anzusehen, an dem der Irländer Hincks eine Liste
mit Monatsnamen beschrieb 1). Ihr folgten die Veröffentlichungen
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1911. 2. Abh. 1