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Bezold, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 2. Abhandlung): Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre bei den Babyloniern — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32164#0016
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16

C. Bezold:

Oktaeteris) und später durch den bekannten (sog. Meton’schen)
Zyklus der Seleuciden-Aera von ig Jahren (= 235 synodischen
Monaten) ausgeglichen wurde 50). — Unter den Bogen- und
Winkelmaassen habe ich den Ellengrad (= 2,5°) und den Zoll
(= 6,25') vorhin (S. 6) schon beiläufig - erwähnt.

Nach alledem können wir nicht genug staunen über die
gewaltige Entwicklung, die in Babylonien, offenbar in verhält-
nismässig sehr kurzer Zeit, eine Wissenschaft erfahren hat, die
zwar von den Griechen nachhaltig gefördert wurde, aber später
— während der Völkerwanderungen — in Europa in fast völlige
Vergessenheit geriet und von den Arabern, wie so manche
Ivulturg'üter, latent überliefert wurde, um erst in der Mitte des
16. Jahrhunderts mit dem Weltsystem des Kopernikus ihre
Auferstehung und seit der Erfindung' des Fernrohrs und Kepler’s
Regulae (1609) neue Triumphe zu feiern.

Grade dem Ruhme der babylonischen Astronomen, eines
Belabu[sur] 51) oder eines Kidinnu — letzterer wahrscheinlich
der Kidenas des Strabo, der Cidenas des Plinius und der Ki-
dynas des Vettius Valens aus Antiochia (zur Zeit des Antoninus
Pius) 52) — u. A. würden wir aber Eintrag tun, wollten wir
uns verschweigen, was diese grossen Mathematiker und sorg-
fältigen Beobachter nicht gewusst haben. Wenigstens auf zwei
Punkte erlauben Sie mir Ihre Aufmerksamkeit hier zu lenken !
Trotz des vorhin angedeuteten Rechenmechanismus zur Aus-
gleichung der Mond- und Sonnenbewegung, der in seiner Ver-
feinerung sogar auf die Berechnung der Sichtbarkeit und Dauer
des Neulichts ausgedehnt wurde 53), haben die Babylonier, wie
schon Diodor (II 31, 6) von ihnen bezeugte, eine nach modernen
Begriffen exakte Vorausberechnung der Sonnenfinsternisse —
soweit bis jetzt zu ersehen ist — niemals zu liefern vermocht:
weder die Grösse einer solchen Finsternis noch auch ihre Sicht-
barkeit oder Unsichtbarkeit für einen bestimmten Ort (z. B.
Babylon) wussten sie vorauszusagen 54). Herr Boll hat deshalb
gewiss mit vollem Recht Zurückhaltung in der Entscheidung
der Frage geboten 55), ob sie die wahre Natur der Eklipsen
überhaupt erkannt haben.

Aber auch der Ruhm der Entdeckung der »Präcession«,
des Vorrückens des Frühlingspunktes nach Westen, wird nach
dem jetzigen Stand der Assyriologie zunächst dem gefeierten
Begründer der Trigonometrie, Hipparchos aus Nikäa in Bithynien
 
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