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Bezold, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 2. Abhandlung): Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre bei den Babyloniern — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32164#0019
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Babylonische Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre. 19

Betrachten wir das Bild, das uns diese Keilschriftquellen
von der Himmelsschau und Himmelskunde in Assyrien um die
Mitte des 7. vorchristl. Jahrhunderts entrollen, so springen die
gewaltigen Unterschiede von der Astronomie der babylonischen
Spätzeit sofort in die Augen. Dazu gehören vornehmlich: das
fast völlige Fehlen von Maass- und Zahlenangaben, der Mangel
einer feststehenden Terminologie und die Vermengung der Be-
obachtungen von Erscheinungen atmosphärischer bzw. meteoro-
logischer Natur mit denen der Himmelskörper selbst.

Gewiss, eine Zeitregulierung', einen Kalender haben die
Babylonier und ihre Vorgänger, die Sumerer, von den ältesten
für uns erreichbaren Zeiten an ebensowohl gehabt wie die
Aegypter, für die Eduard Meyer einen solchen im Jahre 4241
nachgewiesen hat 73), und ebenso wie schliesslich alle bisher
näher bekannt gewordenen Kulturvölker. Der Kalender resul-
tierte gemeiniglich aus der Beobachtung der Wiederkehr be-
stimmterVorgänge amHimmel und damitzusammenfallenderVege-
tationserscheinungen. Wie wohl überall, so mag auch in Baby-
lonien zuerst der Mondwechsel beobachtet und nach Mond-
monaten der Verlauf eines Jahres gerechnet worden sein. Die
unausbleibliche Enttäuschung, die die Inkongruenz der Zeit der
Erntereife mit dem nach 12 Mondmonaten eintretenden Zeit-
punkt schon nach wenigen Rechenjahren hervorrufen musste,
führte dann offenbar zur Einrichtung des Lunisolarjahres mit
öfterer Einschaltung eines 13. Monats, die nach dem Stand der
wachsenden Saat, der Reife des Getreides und ähnlichen Vege-
tationserscheinungen reguliert wurde 74). Auch die heliakischen
Aufgänge besonders heller Fixsterne und Sternbilder, wie des
Sirius, der Spica (in der Jungfrau), des Regulus (im Löwen),
der Plejaden und des Orion (speziell des Beteigeuze) mögen
schon in sehr alter Zeit als Anhaltspunkte zur Bestimmung der
Jahresdauer genommen worden sein 75). Wann dies zuerst geschah,
ist bis jetzt mit Sicherheit nicht zu bestimmen; ebensowenig
aber auch die Zeit, in der man dazukam, entsprechend den zwölf
Abschnitten des jährlichen Mondlaufs die 12 Sternbilder der
Ekliptik einzuführen 76). Gewiss ist dagegen, dass vor der Mitte
des 8. Jahrhunderts von der Verwendung der Frühlings-Tag-
undnachtgleiche zur Bestimmung des Jahresanfangs noch keine
Spur zu entdecken ist, und dass noch bis tief ins 6. Jahrhundert
herein keiner der vorhin erwähnten Zyklen, also weder die 8-

Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1911. 2. Abh. 2
 
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