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Bezold, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 2. Abhandlung): Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre bei den Babyloniern — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.32164#0023
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Babylonische Astronomie, Himmelsscliau und Astrallehre. 23

wo Landleute und Hirten, Gutsbesitzer, Farmer und Gärtner,
Kaufleute und Händler, Bauherrn und Handwerker, Schiffer,
Wirtsleute, Aerzte, Angehörige des Kriegerstandes und der
Priesterschaft und Richter eine Rolle spielen, findet sich von
Himmelsschau und Himmelsbeobachtern nichts, — rein gar
nichts. Und die ältesten Inschriften, die bisher dem Boden
Mesopotamiens enthoben wurden und fast durchwegs in sume-
rischer Sprache abgefasst sind, enthalten nur ganz vereinzelte
Phrasen, aus denen man bei recht gutem Willen auf regelmässige
Himmelsbeobachtungen schliessen könnte. Dazu gehören aie
Worte des alten Herrschers Gudea (etwa um 3500): »die Sonne,
die sich von der Erde erhob vor (dir), ist dein Gott Ningisch-
zida: wie die Sonne geht er hervor aus der Erde«, oder von
demselben: »das Bogenfeld des Tores, das er angebracht hatte,
war (gleich) dem klaren Elimmel, der die Tiara (des Mondes)
trägt«, oder von Aradsin: »dem Mondgott, dem Herrn, dem
Herrschersohn, der (am) reinen Himmel erstrahlt (und) Gebet
und Flehen erhört«; und abermals von Gudea: »am Tage des
Neumonds werden meine grossen Beschlüsse über das Fest
des Himmels herrlich vollzogen werden«; dazu noch die Ver-
heissung eines Gottes an denselben Flerrscher: »meinen Be-
schluss will ich ihm durch den reinen Stern des Himmels ver-
künden«, und in der gleichen Inschrift die Traumdeutung durch
eine Göttin: »Das junge Weib . . ., das die Tafel des guten
Sterns trug (und) mit sich zu Rate ging, ist meine Schwester
Nisaba; den reinen Stern der Erbauung des Tempels kündigte
sie dir an« 90). -—

Ich könnte damit diese Ausführung'en über das Wissen der
Sumerer und der Babylonier-Assyrer von der Mechanik des
Himmels schliessen, hätte nicht das am Ende des vorigen
Jahrhunderts von Eduard Stucken erfundene, von Hugo Winckler
erweiterte und von Alfred Jeremias wiederholte 91) »System der
altorientalischen Mythologie und Religion«, die »Lehre« »des
Panbabylonismus« auch aus denjenigen Inschriftenangaben, deren
Inhalt wir heute in knappenUmrissen kennen lernten, ein Hysteron-
proteron zu konstruieren versucht. Die Lösung des dadurch
aufgerollten Problems, das die volle Bedeutung der alten west-
asiatischen Kultur betrifft und besonders nahe den Einfluss
der babylonischen Religion auf die israelitische und damit auch
die christliche berührt, gehört zu den brennenden Tagesfragen
 
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