Babylonische Astronomie, Himmelsschau und Astrallehre.
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Venus u. s. w. erfordert, so mussten die ältesten Babylonier
astronomische Kenntnisse von diesen Dingen gehabt haben. -
Nach meiner, seit Jahren gewonnenen Ueberzeugung 102) ist es
aber auf Grund der inschriftlichen Quellen über babylonische
Himmelsschau und Astronomie zweifellos, dass der Schluss viel-
mehr umgekehrt iauten muss: AVeil die von der Lehre gestellten
Forderungen durch den tatsächlichen, sachlichen wie philolo-
gischen Befund der Texte unerfüllbar sind, so muss die Lehre
falsch sein!
Astralmythen, Sternsagen, originelle sowohl als importierte,
und Aufzeichnungen darüber gab und gibt es aller Orten und zu
allen Zeiten, bei den Griechen sogut wie bei den Chinesen, bei
den Abessiniern wie bei den Mexikanern 103). Und dass in der
westasiatischen Kulturentwicklung die Astralmythologie der
Babylonier eine gewaltige, eine Menge religiöser Vorstellungen
beherrschende Rolle gespielt hat, ist noch nie von besonnenen
Forschern bezweifelt worden. Wie weit dort etwa in alten
Zeiten eine religiöse Unterschicht, ein allenthalben ersichtlicher
Tierkult, der in manchen Einzelnheiten an altägyptische Paral-
lelen erinnert, neben der astralen Religion bestand oder von
ihr abgelöst wurde, kann und soll hier nicht mehr erörtert
werden.
So viel aber scheint mir sicher: aus einer »Formel« hat sich
noch nirgends auf Erden eine Mythologie und eine Religion
entwickelt. Mögen wir die altbabylonische Himmelsschau, die
Astrologie, die Mutter der Astronomie, mit dem bedeutungs-
vollen Hintergrund einer »Weltanschauung von imposanter Ein-
heitlichkeit«, hoch einschätzen und uns freuen, die Fäden ihrer
Entwicklung vorurteilsfrei immer weiter aufzudecken. Mögen wir
aber eingedenk sein, dass die Wurzeln des Mythos sich nicht
im Verstand, sondern im Gemüt nähren, — des Mythos,
von dem ein griechischer Dichter sagt:
änXovg 6 juv'&og xfjg äX^'&eiag ecpv.
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Venus u. s. w. erfordert, so mussten die ältesten Babylonier
astronomische Kenntnisse von diesen Dingen gehabt haben. -
Nach meiner, seit Jahren gewonnenen Ueberzeugung 102) ist es
aber auf Grund der inschriftlichen Quellen über babylonische
Himmelsschau und Astronomie zweifellos, dass der Schluss viel-
mehr umgekehrt iauten muss: AVeil die von der Lehre gestellten
Forderungen durch den tatsächlichen, sachlichen wie philolo-
gischen Befund der Texte unerfüllbar sind, so muss die Lehre
falsch sein!
Astralmythen, Sternsagen, originelle sowohl als importierte,
und Aufzeichnungen darüber gab und gibt es aller Orten und zu
allen Zeiten, bei den Griechen sogut wie bei den Chinesen, bei
den Abessiniern wie bei den Mexikanern 103). Und dass in der
westasiatischen Kulturentwicklung die Astralmythologie der
Babylonier eine gewaltige, eine Menge religiöser Vorstellungen
beherrschende Rolle gespielt hat, ist noch nie von besonnenen
Forschern bezweifelt worden. Wie weit dort etwa in alten
Zeiten eine religiöse Unterschicht, ein allenthalben ersichtlicher
Tierkult, der in manchen Einzelnheiten an altägyptische Paral-
lelen erinnert, neben der astralen Religion bestand oder von
ihr abgelöst wurde, kann und soll hier nicht mehr erörtert
werden.
So viel aber scheint mir sicher: aus einer »Formel« hat sich
noch nirgends auf Erden eine Mythologie und eine Religion
entwickelt. Mögen wir die altbabylonische Himmelsschau, die
Astrologie, die Mutter der Astronomie, mit dem bedeutungs-
vollen Hintergrund einer »Weltanschauung von imposanter Ein-
heitlichkeit«, hoch einschätzen und uns freuen, die Fäden ihrer
Entwicklung vorurteilsfrei immer weiter aufzudecken. Mögen wir
aber eingedenk sein, dass die Wurzeln des Mythos sich nicht
im Verstand, sondern im Gemüt nähren, — des Mythos,
von dem ein griechischer Dichter sagt:
änXovg 6 juv'&og xfjg äX^'&eiag ecpv.