20
Hans von Schubert:
Burgunder gesprochen hat, können wir nicht mit Bestimmtheit
sagen; wahrscheinlich ist es nicht. Die großen Fragmente, clie wir
besitzen (bei Photius, Bibl. cod. 80, ed. Djndorf, Histor. Graeci mi-
nores I, 450ff.), enthalten zwar gerade die Notiz, dah der Gegen-
kaiser Jovin von dem Aianen Goar und dem Burgunderphylarchen
Gunther in Mainz — 411 — erhoben worden sei, fr. 17, und be-
handeln zum Teil sehr ausführlich die Geschichte der folgenden
Jahre, in denen die Burgunder ihren Übertritt vohzogen haben
sollen, aber es sind wesentlich nur die westgotischen und west-
gotisch-römischen Beziehungen, die Photius ausgezogen hat (fr.SOff.).
Das Exzerpt des Zosimus reiclit nicht in cliese Jahre, dagegen geht
das 9., letzte Bucli der Kirchengeschichte des Sozomenos, das wohl
ganz auf OIyni|3iodor ruht14), zum Schluh bis zu Honorius’ Tod,
doch von Jovins Tocl an nur noch ganz summariseh. Man kann
also höchstens sagen: wäre bei Olympiodor, dem als Heiden auch
das Interesse fehlen mochte, von dem Übertritt der Burgunder clie
Rede gewesen, so würde sich bei dem Umfang, in dem er benutzt
worden ist, wohl eine Spur davon erhalten haben.
Der Grieche Olympiodor kam zu seiner genauen Kenntnis gal-
lischer Verhältnisse vom weströmischen Hofe aus. Das Abenclland,
vermutlich Gallien selbst oder Spanien, hatte aber nocli zwei Ge-
schichtsschreiber, von denen wir nur aus Gregor von Tours
wissen: die Bruchstücke, clie er uns in seiner Frankengeschiclite II, 8
und 9 aufbewahrt hat, lassen ihren Verlust aufs tiefste bedauern.
Ob und wie weit das mehrbändige Geschichtswerk cles Sulpicius
Alexander über das Jahr 393 hinausging, können wir nicht sagen;
das des R.enatus Profuturus Frigeridus, wie der Name be-
sagt vennutlich eines Goten, reichte bis in clie Zeit des Aetius, cles
Burgunderbesiegers, dessen äußere Erscheinung uncl dessen Charakter
er uns genau beschreibt. Gregor exzerpiert, was dieser aus den Jahren
407, 410, 411 und 417 von den Franken erzählt hat. Seine Kennt-
nisse sind genau; zu 411 bericlrtete er von den Burgundern, dah
1J) Vgl. J. Rosenstein, Kritische Untersuch. über das Verh. zw. Olyrap., Zosi-
mus u. Soz. in Forsch. z. deutschen Gesch. I, 165 ff. und G. Löschcke in Haucks
Real-Enzykl. XVIII, 545. In vollkommenem Gegensatz zu Sokrates bringt dieser
Kirchenhistoriker die genaueste Darstellung der abendländischen Ereignisse. Man
vergleiche z. B. seine Darstellung der Kämpfe Alarichs um Rom mit der des So-
krates, obgleich auch bei ilim das Anekdotenbaf'te nicht ganz fehlt, z. B. die Ge-
schichle von der keuschen Römerin uncl jhrem frommen arianischen Mann c. 10,
und er, gewiß nach Sokrates, das Histörchen von dem warnenden Mönch eben-
falls bringt, c. 6.
Hans von Schubert:
Burgunder gesprochen hat, können wir nicht mit Bestimmtheit
sagen; wahrscheinlich ist es nicht. Die großen Fragmente, clie wir
besitzen (bei Photius, Bibl. cod. 80, ed. Djndorf, Histor. Graeci mi-
nores I, 450ff.), enthalten zwar gerade die Notiz, dah der Gegen-
kaiser Jovin von dem Aianen Goar und dem Burgunderphylarchen
Gunther in Mainz — 411 — erhoben worden sei, fr. 17, und be-
handeln zum Teil sehr ausführlich die Geschichte der folgenden
Jahre, in denen die Burgunder ihren Übertritt vohzogen haben
sollen, aber es sind wesentlich nur die westgotischen und west-
gotisch-römischen Beziehungen, die Photius ausgezogen hat (fr.SOff.).
Das Exzerpt des Zosimus reiclit nicht in cliese Jahre, dagegen geht
das 9., letzte Bucli der Kirchengeschichte des Sozomenos, das wohl
ganz auf OIyni|3iodor ruht14), zum Schluh bis zu Honorius’ Tod,
doch von Jovins Tocl an nur noch ganz summariseh. Man kann
also höchstens sagen: wäre bei Olympiodor, dem als Heiden auch
das Interesse fehlen mochte, von dem Übertritt der Burgunder clie
Rede gewesen, so würde sich bei dem Umfang, in dem er benutzt
worden ist, wohl eine Spur davon erhalten haben.
Der Grieche Olympiodor kam zu seiner genauen Kenntnis gal-
lischer Verhältnisse vom weströmischen Hofe aus. Das Abenclland,
vermutlich Gallien selbst oder Spanien, hatte aber nocli zwei Ge-
schichtsschreiber, von denen wir nur aus Gregor von Tours
wissen: die Bruchstücke, clie er uns in seiner Frankengeschiclite II, 8
und 9 aufbewahrt hat, lassen ihren Verlust aufs tiefste bedauern.
Ob und wie weit das mehrbändige Geschichtswerk cles Sulpicius
Alexander über das Jahr 393 hinausging, können wir nicht sagen;
das des R.enatus Profuturus Frigeridus, wie der Name be-
sagt vennutlich eines Goten, reichte bis in clie Zeit des Aetius, cles
Burgunderbesiegers, dessen äußere Erscheinung uncl dessen Charakter
er uns genau beschreibt. Gregor exzerpiert, was dieser aus den Jahren
407, 410, 411 und 417 von den Franken erzählt hat. Seine Kennt-
nisse sind genau; zu 411 bericlrtete er von den Burgundern, dah
1J) Vgl. J. Rosenstein, Kritische Untersuch. über das Verh. zw. Olyrap., Zosi-
mus u. Soz. in Forsch. z. deutschen Gesch. I, 165 ff. und G. Löschcke in Haucks
Real-Enzykl. XVIII, 545. In vollkommenem Gegensatz zu Sokrates bringt dieser
Kirchenhistoriker die genaueste Darstellung der abendländischen Ereignisse. Man
vergleiche z. B. seine Darstellung der Kämpfe Alarichs um Rom mit der des So-
krates, obgleich auch bei ilim das Anekdotenbaf'te nicht ganz fehlt, z. B. die Ge-
schichle von der keuschen Römerin uncl jhrem frommen arianischen Mann c. 10,
und er, gewiß nach Sokrates, das Histörchen von dem warnenden Mönch eben-
falls bringt, c. 6.