Eine Bronzestatuette der Heidelberger archäologisclien Sammlung. 11
a.brundet: ob der linke Arm lose niederhing oder etwa im Ellbogen
leicht vorgestreckt war, wird sich schwer entscheiden lassem, da
Repliken fehlen und der Maßstab zu klein ist, um aus dem
Oberarmmuskel einen Schluß auf Haltung des Unterarms zu
ziehen. Jedenfalls wird man in Abrede stellen dürfen, daß der
Arm sich aufgestützt habe. Daß der Kopf halb nach links vom
Aktionsarm abgewandt ist, entspricht dem natürlichen Bestreben;
dem Arm auszuweichen und den zu reinigenden Nacken dem
Werkzeug darzubieten. Der Blick ging geradeaus; da im Motiv
keine Veranlassung vorlag, das Haupt zu neigen oder irgendein
bestimmtes Objekt ins iVuge zu fassen.
Nachdem wir so das Verhältnis der Statuette zu ihren voraus-
zusetzenden Vorgängern bestimmt haben und uns über das vom
Künstler gewollte Motiv klar geworden sind; bleibt die wichtige
Frage nach dem Originalwerk, das uns, wie so manches Werk
großer Kunst, in diesem kleinen Bilde gerettet ist. Die künst-
lerische Richtnng zu bestimmen habe ich mich bereits bemüht;
und dabei auf den leisen Gegensatz hingewieseip in dem diese
Schöpfung zu der eigentlichen agonistischen Kunst steht. Ma.n
vermag sich der Vermutung nicht zu entziehen, daß hier ein
Künstler tätig war auf einem ihm eigentlich fremden Felde,
ein Künstler, dessen Sache es weniger war, körperliche Elast.izität
und Energie zum Ausdruck zu bringen, als wohliges Ruhen der
Glieder, Freude am schönen Dasein, mehr ein Alann der Stimmung
als der Kraft, also mehr ein Meister, der in Marmor als in Bronze
zu arbeiten gewohnt war und Anlaß hatte. So stand im vierten
Jahrhundert, in welches die Originalschöpfung unserer Bronze
zweifellos gehört, Praxiteles, um gleich den leuchtendsten Narnen
dieser Richtung zu nennen, gegenüber dem Lysippos.
Und daß wir mit solcher Analyse der Gestalt auf dem rich-
tigen Wege waren, mag nun der unmittelbare Vergleich mit dem
Hermes lehren. Die Verwandtschaft beider Schöpfungen ist so
groß, daß wohl die bloße Gegenüberstellung genügen dürfte, um
sie zu erweisen (Taf. II, Fig. 1—4).
Das Standmotiv des Hermes ist freilich bedingt durch das
Aufstützen des linken Ellenbogens, und dieses wieder durch die
Belastung des linken Arms, der das Dionysosknäbchen trägt.
Daher ist auch das Vorstrecken des linken Unterarms notwendig,
um dem Kinde den Sitz zu schaffen. Auch der gehobene rechte
Arm des Hermes ist ebenfalls etwas nach vorn gestreckt, da die
a.brundet: ob der linke Arm lose niederhing oder etwa im Ellbogen
leicht vorgestreckt war, wird sich schwer entscheiden lassem, da
Repliken fehlen und der Maßstab zu klein ist, um aus dem
Oberarmmuskel einen Schluß auf Haltung des Unterarms zu
ziehen. Jedenfalls wird man in Abrede stellen dürfen, daß der
Arm sich aufgestützt habe. Daß der Kopf halb nach links vom
Aktionsarm abgewandt ist, entspricht dem natürlichen Bestreben;
dem Arm auszuweichen und den zu reinigenden Nacken dem
Werkzeug darzubieten. Der Blick ging geradeaus; da im Motiv
keine Veranlassung vorlag, das Haupt zu neigen oder irgendein
bestimmtes Objekt ins iVuge zu fassen.
Nachdem wir so das Verhältnis der Statuette zu ihren voraus-
zusetzenden Vorgängern bestimmt haben und uns über das vom
Künstler gewollte Motiv klar geworden sind; bleibt die wichtige
Frage nach dem Originalwerk, das uns, wie so manches Werk
großer Kunst, in diesem kleinen Bilde gerettet ist. Die künst-
lerische Richtnng zu bestimmen habe ich mich bereits bemüht;
und dabei auf den leisen Gegensatz hingewieseip in dem diese
Schöpfung zu der eigentlichen agonistischen Kunst steht. Ma.n
vermag sich der Vermutung nicht zu entziehen, daß hier ein
Künstler tätig war auf einem ihm eigentlich fremden Felde,
ein Künstler, dessen Sache es weniger war, körperliche Elast.izität
und Energie zum Ausdruck zu bringen, als wohliges Ruhen der
Glieder, Freude am schönen Dasein, mehr ein Alann der Stimmung
als der Kraft, also mehr ein Meister, der in Marmor als in Bronze
zu arbeiten gewohnt war und Anlaß hatte. So stand im vierten
Jahrhundert, in welches die Originalschöpfung unserer Bronze
zweifellos gehört, Praxiteles, um gleich den leuchtendsten Narnen
dieser Richtung zu nennen, gegenüber dem Lysippos.
Und daß wir mit solcher Analyse der Gestalt auf dem rich-
tigen Wege waren, mag nun der unmittelbare Vergleich mit dem
Hermes lehren. Die Verwandtschaft beider Schöpfungen ist so
groß, daß wohl die bloße Gegenüberstellung genügen dürfte, um
sie zu erweisen (Taf. II, Fig. 1—4).
Das Standmotiv des Hermes ist freilich bedingt durch das
Aufstützen des linken Ellenbogens, und dieses wieder durch die
Belastung des linken Arms, der das Dionysosknäbchen trägt.
Daher ist auch das Vorstrecken des linken Unterarms notwendig,
um dem Kinde den Sitz zu schaffen. Auch der gehobene rechte
Arm des Hermes ist ebenfalls etwas nach vorn gestreckt, da die