Metadaten

Duhn, Friedrich von; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 6. Abhandlung): Eine Bronzestatuette der Heidelberger archäologischen Sammlung (Vortrag, gehalten in der Sitzung der Gesamtakademie am 24. Juni 1911) — Heidelberg, 1911

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32168#0013
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Eine Bronzestatnette der Heklelberger archäologischen Sajmnlvmg. 13

Blick cles hervorragenden Ivenners liatte das Entscheidende völiig
richtig gesehen, ohne daß die Nebeneinanderstellung mit dem
auf gleichen Maßstab reduzierten Hermes damals sogleich be-
weisend hätte eintreten können. Am liebsten würde auch ich be-
greiflicherweise diesen unmittelbaren Schluß ziehen und damit
unserer Heidelberger Bronze die hohe Bedeutung vindizieren,
ein verlorenes Originalwerk des größten Marmorbildners der
Griechen uns in Nachhildung erhalten zu haben. Aber die Skepsis
darf nicht schlafen. Zunächst ist es in der Tat auffällig,
ein solches Motiv durcli Praxiteles geschaffen zu denken, dem
große, ihn siclrer ganz anders packende und seiner Eigenart viel
mehr liegende Aufträge sicher von allen Seiten zuströmten. Ais-
dann ist es immerhin merkwürdig, daß ein Künstler so allerersten
Ranges sich selbst gewissermaßen kopiert haben sollte, sei es
den Hermes im Apoxyomenos, sei es umgekehrt. Denn so müßte
man hei der äußerst engen Yerwandtschaft, die jedes zufällige
Zusammentreffen auszuschließen scheint, doch wohl das Ver-
hältnis auffassen. Polyklet schuf seine Statuen paene ad unum
exemplum, wie die Alten uns berichten; wir glauben noch die
Note leisen. Vorwurfs in diesem Ausdruck zu empfmden. Aber
Praxiteles war ein so innerlich reicher, schaffensfreudiger Geist,
daß gerade bei ihm solche unmittelbare Verwertung eines einmaf
gefundenen Motivs zur Schaffung einer anderen Statue uns doch
überraschen würde. Er spricht in allen seinen AVerken seine cha-
rakteristische Sprache, aber in unendiich reichen Abwandlungen.

Somit muß auch die zweite Möglichkeit erwogen werden,
daß ein Ivünstler jener späteren Zeiten, die lebten von den
Brosamen, die von den reichen Tischen der Ivünstler cles fünften
und vierten Jahrhunderts fielen, den in Olympia stehenden all-
beka.nnten und auch sonst, bis in die pompejanische Malerei
und die rheinische Steinplastik nachwirkenden Hermes benutzt
habe, um in gleichzeitiger Erinnerung an frühere Schöpfungen
solcher Nacken und Schulterblatt reinigender Apoxyomenoi, unter
Weglassung des für die Olympiagruppe Notwendigen und von
entsprechenden kleinen Abänderungen, einen Schaber zu schaffen,
cler ihm vielleicht von einem Verehrer des olympischen Hermes
in Auftrag gegeben war: ich fasse den Anlaß beispielsweise so
persönlich, weil es immerhin sehr merkwürdig wäre, wenn ein
späteres Werk dieses Gegenstandes sich an Praxiteles, nicht an
Originale der argivisch-sikyonischen Schule angeschlossen hätte.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften