Metadaten

Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1911, 9. Abhandlung): Eros und Psyche — Heidelberg, 1911

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32171#0036
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
36

Rudolf Pagenstecher :

so, wenn sie mit Kranzi und Kä.stchen auf einer Ranke sitzt
oder eine Binde in der Hand hebt, endlich, wenn sie auf h'oh'er
Säule zwischen einem Jüngling und einer Mänade sich nieder-
gelassen hat. 183) Ihm angeglichen wird sie auch in der früher
schon einmal üblichen kleinen Bildung ihrer Figur. Wo sie in
großer sowohl wie in kleiner Gestalt •— z. B. auf der Rückseite
der Talosvase — erscheint, legt sie den Gedanken nahe, in der
großen Darstellung die eigentliche Siegesgöttin, in dem kleinen
Ahbilde aber, welches hier den Polydeukes kränzt, die Versinn-
bildlichung des eben errungenen Erfolges zu sehen, eine Augen-
blicksgöttin. 184)

Auch die völlige Nacktheit, die bei ihr in griechischer Kunst
verhältnismäßig selten auftritt, mag neben dem Streben der Zeit
nach plastischer und malerischer Darstellung auch des unver-
hüllten weiblichen Ivörpers und nehen anderen weniger edlen,
namentlich in den Außenländern zutage tretenden Motiven der
Angleichung an Eros ihre Entstehung verdanken. 185) Mit ihm
tritt sie auch in den Kreis von Unterweltsgedanken ein, wie sie
schon früher Gräher siegreicher Helden geschmückt hat. 186) Dieser
eigentliche Sinn aber verliert sich; Ni'ke steht mit Eros vereint
auf den großen Canosiner Statuettenaskoi in den verschiedensten
Auffassungen, lang bekleidet und in völliger Nacktheit 187), außer
durch ihr Geschlecht in nichts von Eros verschieden. Ihm tritt
sie, wie wir schon sahen, auf den dem Totenkult geweihten, be-
malten Gefäßen gegenüber, erscheint endlich auch allein zwischen
Ranken schwebend, auf einem Platze, an welchem wir außer
Unterweltsgottheiten auch Eroten sahen oder Aplirodite selbst,
einmal von Eroten getragen. 188) Zwar hat man nicht nur diese
weiblichen beflügelten Gestalten, sondern auch unsere Eroten für

183) Patroni, 151, Abb. 110; 164, Abb. 113; 108, Abb. 71, dazu Eros
141, Abb. 96, Mitte. Mädchen schmückend ßlite ceram., IY, 9, 33, 33 a, b.

18R Usener, Götternamen. Bulle, a. a. 0. Nike vertritt Eros auch
auf den Darstellungen der Überreichung des Erichthonios. Mite ceram., I,
LXXXV A.

185) Ganz nackt erscheint sie schon auf einem Canosiner Askos der
Sammlung Reimers ; ferner Reinach, Rep., II, 158, 214, vvenn es sich nicbt
in den beiden letzten Fällen um verzeichnete Eroten handelt.

186) Studniczka, Siegesgöttin, Fig. 47.

187) Ileid. S.-B., 1910, 6 (Niobiden), Taf. IV; vgl. Winter, Terracotten,
II, 181, 182, 4. Geflügelte Astragahpielerinnen, 184, 1.

188) Mite ceram. passim.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften