G. A. Gerhard:
Daß vom vierten aufs dritte Jahrhundert in der Hand von
Philosophen — wie vor allem dem Kyniker Krates und dann den
Stoikern Zenon, Kleanthes, Arist.on, aber auch dem Akademiker
Krantor — im Anschluß an die Tragödie, hauptsächlich des Euri-
pides, und daneben auch schon an die Komödie^) eine spora-
dische lehrhafte Dichtung in Iamben erwuchs, das wußten wir
schon.is) Schon vor dieser philosophischen Iambik aber unter-
nahm, wie sich nun zeigt, unser Chares als ausschließlicher
Nachtreter der Tragiker die Arbeit, deren frühste Ansätze man
bisher erst der neuen Komödie2°), und deren Durchführung man
gar erst der daran anknüpfenden hellenistisch-römischen Spät-
zeit zugetraut hatte 21): nämlich eine systematische iambische
Versifizierung der typischen populär-rhetorischen Paränese seiner
Zeit, jener Sammlung des gnomischen Spruchguts, welches sich
großenteils gleichzeitig mit den sogenannten Apophthegmen der
sieben Weisen deckte.22)
Vollends deutlich wird uns dieser Aufschluß im Hinblick auf
die Schwestergattung des Iambos, auf den trochäischen Tetra-
meter. In diesem Maß gab es ja bereits im fünften Jahrhundert
vor Chr. unter dem Namen des alten dorischen Komödiendichters
Epicharm den Grundstock eines paränetischen Spruchgedichts,
das dann im vierten Jahrhundert von einem gewissen Axio-
pistos redigiert und später wohl noch immer erweitert worden
ist.23) Von diesen Γνώμαί 'Epicharms' erhielten wir ja unlängst
(1906) den Prolog und sonstige Reste zurück durch zwei ptole-
mäische Papyri (P. HiB. I, 1, 2) aus den Mumiengräbern des
nämlichen El-Hibeh, von dem vermutlich auch der Heidelberger
Charesfund herrührt, (s. u. S. 14). Bei dieser Lage der Dinge
kann uns nun auch der eine unter dem Namen des Chares
überlieferte Tetrameter (fr. 3 N.) nicht mehr bedenklich er-
scheinen. Wir brauchen nicht mit v. WiLAMOWiTZ (a. 0.,
S. 609,1) an unrichtig abgeteilte Trimeter zu denken, sondern
dürfen annehmen, daß Chares für die seiner Zeit so wichtigen
Sprnchverse neben den (tragischen) Iamben auch (Epicharmische)
is) GERHARD, Phoinix von Kolophon, S. 143, 3; 237.
io) Phoinix, S. 237 ff., 264.
WENDLAND, Anaximenes, S. 89; GERHARD, Phoinix, S. 275, 6.
23 Phoinix, S. 275 f., vgl. 264 f.
22) Vgl. WENDLAND, Anaximenes, S. 84., 90 f.; GERHARD, Phoinix, S. 251, 1.
23) Vgl. Phoinix, S. 254 f.
Daß vom vierten aufs dritte Jahrhundert in der Hand von
Philosophen — wie vor allem dem Kyniker Krates und dann den
Stoikern Zenon, Kleanthes, Arist.on, aber auch dem Akademiker
Krantor — im Anschluß an die Tragödie, hauptsächlich des Euri-
pides, und daneben auch schon an die Komödie^) eine spora-
dische lehrhafte Dichtung in Iamben erwuchs, das wußten wir
schon.is) Schon vor dieser philosophischen Iambik aber unter-
nahm, wie sich nun zeigt, unser Chares als ausschließlicher
Nachtreter der Tragiker die Arbeit, deren frühste Ansätze man
bisher erst der neuen Komödie2°), und deren Durchführung man
gar erst der daran anknüpfenden hellenistisch-römischen Spät-
zeit zugetraut hatte 21): nämlich eine systematische iambische
Versifizierung der typischen populär-rhetorischen Paränese seiner
Zeit, jener Sammlung des gnomischen Spruchguts, welches sich
großenteils gleichzeitig mit den sogenannten Apophthegmen der
sieben Weisen deckte.22)
Vollends deutlich wird uns dieser Aufschluß im Hinblick auf
die Schwestergattung des Iambos, auf den trochäischen Tetra-
meter. In diesem Maß gab es ja bereits im fünften Jahrhundert
vor Chr. unter dem Namen des alten dorischen Komödiendichters
Epicharm den Grundstock eines paränetischen Spruchgedichts,
das dann im vierten Jahrhundert von einem gewissen Axio-
pistos redigiert und später wohl noch immer erweitert worden
ist.23) Von diesen Γνώμαί 'Epicharms' erhielten wir ja unlängst
(1906) den Prolog und sonstige Reste zurück durch zwei ptole-
mäische Papyri (P. HiB. I, 1, 2) aus den Mumiengräbern des
nämlichen El-Hibeh, von dem vermutlich auch der Heidelberger
Charesfund herrührt, (s. u. S. 14). Bei dieser Lage der Dinge
kann uns nun auch der eine unter dem Namen des Chares
überlieferte Tetrameter (fr. 3 N.) nicht mehr bedenklich er-
scheinen. Wir brauchen nicht mit v. WiLAMOWiTZ (a. 0.,
S. 609,1) an unrichtig abgeteilte Trimeter zu denken, sondern
dürfen annehmen, daß Chares für die seiner Zeit so wichtigen
Sprnchverse neben den (tragischen) Iamben auch (Epicharmische)
is) GERHARD, Phoinix von Kolophon, S. 143, 3; 237.
io) Phoinix, S. 237 ff., 264.
WENDLAND, Anaximenes, S. 89; GERHARD, Phoinix, S. 275, 6.
23 Phoinix, S. 275 f., vgl. 264 f.
22) Vgl. WENDLAND, Anaximenes, S. 84., 90 f.; GERHARD, Phoinix, S. 251, 1.
23) Vgl. Phoinix, S. 254 f.