14
Heinrich F. J. Junker.
§ 22. Die zweite Frage (s. § 19). Bei Fragen der Abbängigkeit
zweier Texte voneinander muß Grundsatz sein, so lange selbständige
Entwicklung anzunebmen, als nicbt durch zureichendes, einwandfreies
Material die Abhängigkeit erdrückend wahrscheinlich gemacht werden
kann. Eine Beziehung zwischen indischem und pärsischem Erziehungs-
brauch ist nicht nachweisbar und aus allgemeinen Griinden unwahr-
scheinlich. Ähnlichkeiten von der Art, daß man vor der Sonne auf-
steht, sich den Mund reinigt, vor und nach dem Essen die Hände
waseht, beweisen nichts, weil sie zu viel beweisen. Solche hygieni-
sche Vorschriften finden sich in der oder jener Gestalt überall. Ist
nun der pärsische Text vielleicht eine Nachbildung aus griechisch-
lateinischen Quellen ? Die Hermeneumata Einsidelensia fithrt UvWila-
mowitz-Moellendorfp ins 4. Jahrhundert zurück. Die Sprachform un-
seres Textes gehört wenigstens ins 5. Jahrhundert und ist eher nocli
jünger. Das beweist indessen nicht, daß der Text um diese Zeit ent-
standen sein muß. Er hat offenbar ein Sonderdasein — wie in der
IJds. u — gefiihrt und wurde erst recht spät dem Bd. angegliedert.
Die Möglichkeit einer Abhängigkeit des Pärsentextes von griechisch-
lateinisclien Yorbildern ist somit zuzugestehen. Die Wahrscheinlichkeit,
daß dem so ist, kalte ich ftir ganz gering. Denn es lassen sich aus
Pärsenschriften älterer, jüngerer und jiingster Zeit für fast jede cka-
rakteristische Textstelle Parallelbelege nachweisen. Der ganze Traktat
atmet durchaus pärsischen Geist. Die umgekehrte Annahme Darme-
steters, daß der Okzident von dem Orient geborgt babe, halte ich
dann für möglich, wenn der vorliegende Text Pahlavivorläufer ge-
habt liat (s. § 23). Jedenfalls hat man aber guten Grund, das mittel-
persische Schulgespräch als autochthones Produkt Irans anzusehen.
§ 23. Die dritte Frage (s § 19) kann man mit großer Wahr-
scheinlichkeit dahin beantworten, daß neben dem vorliegenden Päzand-
text eine Pahlaviversion bestanden haben muß. Ist z. B. das erwähnte
eine falsche Päzandlesung für mpB. farroxv, so setzte auck
das die Existenz einer Pahlavi-Päzand Bilingue voraus. Aber abge-
seben davon gibt es in dem Texte einige Stellen, die fast nur oder
nur unter der Voraussetzung einer zugeliörigen Pablavistelle verständ-
lich sind. Ygl. unten die Anmerkungen zu den §§ 17, 19, 26, 42.
Darmesteter scheint es auch für möglich zu halten, wenn ich seine
Note 4 auf S. 362 richtig verstehe, daß eine Awestä-Bilingue vor-
handen war. Die von ihm für awestisch angesprochenen Wortgebilde
sind indessen anders aufzufassen.
Heinrich F. J. Junker.
§ 22. Die zweite Frage (s. § 19). Bei Fragen der Abbängigkeit
zweier Texte voneinander muß Grundsatz sein, so lange selbständige
Entwicklung anzunebmen, als nicbt durch zureichendes, einwandfreies
Material die Abhängigkeit erdrückend wahrscheinlich gemacht werden
kann. Eine Beziehung zwischen indischem und pärsischem Erziehungs-
brauch ist nicht nachweisbar und aus allgemeinen Griinden unwahr-
scheinlich. Ähnlichkeiten von der Art, daß man vor der Sonne auf-
steht, sich den Mund reinigt, vor und nach dem Essen die Hände
waseht, beweisen nichts, weil sie zu viel beweisen. Solche hygieni-
sche Vorschriften finden sich in der oder jener Gestalt überall. Ist
nun der pärsische Text vielleicht eine Nachbildung aus griechisch-
lateinischen Quellen ? Die Hermeneumata Einsidelensia fithrt UvWila-
mowitz-Moellendorfp ins 4. Jahrhundert zurück. Die Sprachform un-
seres Textes gehört wenigstens ins 5. Jahrhundert und ist eher nocli
jünger. Das beweist indessen nicht, daß der Text um diese Zeit ent-
standen sein muß. Er hat offenbar ein Sonderdasein — wie in der
IJds. u — gefiihrt und wurde erst recht spät dem Bd. angegliedert.
Die Möglichkeit einer Abhängigkeit des Pärsentextes von griechisch-
lateinisclien Yorbildern ist somit zuzugestehen. Die Wahrscheinlichkeit,
daß dem so ist, kalte ich ftir ganz gering. Denn es lassen sich aus
Pärsenschriften älterer, jüngerer und jiingster Zeit für fast jede cka-
rakteristische Textstelle Parallelbelege nachweisen. Der ganze Traktat
atmet durchaus pärsischen Geist. Die umgekehrte Annahme Darme-
steters, daß der Okzident von dem Orient geborgt babe, halte ich
dann für möglich, wenn der vorliegende Text Pahlavivorläufer ge-
habt liat (s. § 23). Jedenfalls hat man aber guten Grund, das mittel-
persische Schulgespräch als autochthones Produkt Irans anzusehen.
§ 23. Die dritte Frage (s § 19) kann man mit großer Wahr-
scheinlichkeit dahin beantworten, daß neben dem vorliegenden Päzand-
text eine Pahlaviversion bestanden haben muß. Ist z. B. das erwähnte
eine falsche Päzandlesung für mpB. farroxv, so setzte auck
das die Existenz einer Pahlavi-Päzand Bilingue voraus. Aber abge-
seben davon gibt es in dem Texte einige Stellen, die fast nur oder
nur unter der Voraussetzung einer zugeliörigen Pablavistelle verständ-
lich sind. Ygl. unten die Anmerkungen zu den §§ 17, 19, 26, 42.
Darmesteter scheint es auch für möglich zu halten, wenn ich seine
Note 4 auf S. 362 richtig verstehe, daß eine Awestä-Bilingue vor-
handen war. Die von ihm für awestisch angesprochenen Wortgebilde
sind indessen anders aufzufassen.