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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0005
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Platos Staatslehre in der Renaissance.

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Hierhin drängte die Übereinstimmung der Zwecke; denn. wie
die Scholastik, stellte sich auch der Platonismus ganz in den
Dienst der christlichen Religion, wenn nicht wie jene als „Magd
der Theologie“, so doch als dienende Schwester. Die Philosophie
des Marsilius Ficinus wie die des Pico will dm Grunde nichts
sein als Apologetik. Schon Petrarca war darauf bedacht ge-
wesen, die Überlegenheit seiner Betrachtungsweise im Kampfe
mit dem atheistischen Averroismus zu empfehlen. Im AVesen
der x4.pologetik liegt es ja, daß sie sich den Zeitumständen und
den Gegnern gemäß immer neu gestalten muß, während die Sache,
die sie vertritt, immer die alte hleiht — höchstens daß sie
an ihr neue, hisher minder beachtete Züge hervorheht. Auch war
diese Stellung der Platoniker nicht etwa, wie bei Philosophen des
17. Jahrhunderts gleich Gassendi, nur eine geschickt gewählte Ver-
teidigungsposition, um Angriffe von yornherein unwirksam zu
machen; sie entsprang vielmehr echter Überzeugung, sie bildet
den Ausgangspunkt ihres Denkens. Daß bei Plato und vollends
bei den Neuplatonikern sich R.eligion und Philosophie ganz anders
durchdringen als bei Aristoteles, daß der große Meister im Laufe
seines Lebens immer positiver fromm geworden, erscheint fast
als sein größter Vorzug. Ficinus erging es ebenso— und Schelling
in einer späteren Zeit auch. Auch' gehen diese Florentiner Pla-
toniker ganz folgerichtig schließlich über den Gedanken der Re-
naissance, der Dogmatismus, Glanbe an einen festen Idealzustand
ist, hinaus; sie nähern sich dem entgegengesetzten der Entwick-
lung, indem sie Spuren und Stufen philosophischer und theo-
logischer Erkenntnis im ganzen weiten Umkreis der Geschichte
menschlichen Denkens, soweit er ihnen zugänglich ist, mit ver-
ständnisvoller Liehe suchen. Ihr philosophischer Synkretismus,
ihr phantastischer Glaube an verborgene Urweisheit, ihre weit-

diese spanische Neosch-olastik sich freilich schroff ablehnend gegen diese ita-
lienischen Yerschmelzungstendenzen verhalten. ALONSO CANO, der tempera-
mentvollste dieser Spanier, kann sich nicht verächtlich genug über sie aus-
drücken. Denn bei dieser Renaissance der Scbolastik wollte man gerade ihren
Kern und ilire Methode ganz rein herausschälen. Eine eigentümliche Anaiogie
dieser Yorgänge bieten die Schicksale der katholischen Pliilosophie im 19. Jahr-
hunderi, als der italienisch-nationale Platonismus der GlOBERTI und ROSMINI
auch als Neubelebung und Versöhnung mit Regeisterung geschaffen rmd auf-
genonnnen wurde, aber sich auch gegen die thomistische Scholastik nicht zu
halten vermochte. Denn in der Geschichte der katholischen Kirche wechseln
immer nur die Namen, nicht die Rollen.
 
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