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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0006
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6

Eberhard Gothein :

herzige Sympathie für jede Art Frömmigkeit. entspringen alle
dem Wunsch, überall in der Geschichte Spuren und Stufen der
göttlichen Offenbarung zu finden. Deshalb hat weiterhin in
Deutschland die Reformation von ihnen weit abrücken müssen,
während noch ihr Schiiler Reuchlin in ihren Rahnen, freilich
ihre Schwächen noch übertreibend, gewandelt ist.
Die Verschmelzung mittelalterlicher und antikisierender Auf-
fassung zeigt sich nicht weniger stark auf jenern Gebiete der
Lebensphilosophie, das die Platoniker mit Vorliebe behandelten:
der Liebeslehre. Auch hier hat das religiöse Moment, dessen
bestimmender Einfluß auf die Entwicklung auch des mittelalter-
lichen Frauendienstes außer Frage steht,2), mitgewirkt. Denn die
,,Liebe“, welche Plato und die, welche der Apostel Paulus preist,
setzt ein Ficinus ohne weiteres gleich; er fmdet. seine und
der platonischen Philosophie eigenste Aufgabe darin, das dem
Eros entstammende Schönheitsgefühl in die Religion zu über-
tragen. Das hat er in der Einleitung seiner Platokommentare
eingehend dargelegt und im Phädruskommentar in den Ausruf
beglückten Erfolges zusammengedrängt: ,,Deum tandem amamus
ut pulchrum, quern jam pridem dilexeramus ut bonum“ — ein
wahres Motto der Renaissance! Aber nicht allein die himmlische
Liebe beschäftigt ihn. Unter seinen Kommentaren hat sofort
der zum Gastmahl den größten Ruhm genossen; er ist alsbald
ins Italienische übersetzt worden und hat als Theorie der Liebe
seine Wirkung auf die von alters her beliebteste Art der Re-
flexion geübt. Die ba.ld prinzipielle, bald kasuistische Diskussion
über Wesen, Arten, Wirkungen der Liebe und alles, was damit
irgend in Zusammenhang zu bringen ist, ihrer Natur nach endlos,
war seit den Tagen der Troubadours nie mehr abgerissen. Sie
bildete wie allerwärts, so auch in Italien das Lieblingsthema
höfischer Unterhaltung, an dem sich Scharfsinn und Galanterie
üben konnten. Ein Werk wie die „Mörin“ des Pfälzers Her-
mann von Sachsenheim, das die ganze spitzfmdige Schein-Judi-
katur, die sich an diese Fra.gen knüpfen ließ, zierlich wieder
aufrollt, hätte am Ende des 15. Jahrhunderts noch an allen ahend-
ländischen Höfen in gleicher Weise gedichtet werden können.
In Italien insbesonders war als Vorläufer des Platonismus die
Kunstlyrik des dolce stil nuovo aus der Verbindung höfischer
Praxis und idealistischer, schon wesentlich platonisch beein-
2) E. Wechssler, Minnesänger u. Christentum.
 
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