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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0007
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Platos Staatslehre in der Renaissance.

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flußter Spekulation hervorgegangen. Seitdem war die idealistische
Liebe das unerschöpfliche Thema dieser Lyrik geblieben. Es
ist nicht schwer, in ihr den wachsenden Eindruck Platos nach-
zuweisen, bis er bei Bembo seine Höhe erreicht, sobald man den
Schmetterlingsstaub von den Flügeln der Psyche unter das Mikro-
skop nehmen will. Freilich empfanden gerade die zwei eifrigsten
Mitglieder des platonischen Kreises, Lorenzo Medici und Politian,
daß es hiermit allein in der Lyrik nicht getan sei, und wagten
zugleich den kühnen 'Griff in die Schätze des Volksgesanges.
Wenn die psychologischen Miniaturbilder der Sonette ge-
meinhin wie eine Illustration zu theoretischen Ausführungen an-
zusehen sind, so bildeten auch diese Theorien selber den Stoff zu
gründlicher Unterhaltung. Nun aber hatte man im Phaedrus
und Gastmahl eine Liebes-Dialektik kennen gelernt, die den
Floskeln des gai saber weit überlegen war. So verschieden auch
Art und Gegenstände dieses Schönheitskultus von der Courtoisie
und dem Frauendienst des Mittelalters sein mochten, so erschien
sie doch nur als eine erwünschte Bereicherung, eine neue Form
und eine vertiefte Betrachtungsweise, zumal das gesellschaft-
liche Vlilieu, das in diesen Dingen mächtiger ist als irgendwo,
dasselbe blieb. Auch war es für eine Zeit, die es für ihre
oberste Bildungspflicht hielt, zu fragen: „wie haben es in diesem
Punkte die Alten gehalten?“, eine heruhigende Entdeckung, daß
auch diese bei ihren Gastmählern über die Liehe, wenn auch
nicht gerade über die Worte und das Wesen von Weih und
Herrin, disputiert hatten.
Keineswegs handelte es sich hierbei um eine äußerliche An-
passung. Wenn auf irgend etwas, so waren auf diese Aus-
führungen Platos die Gemüter vorbereitet und nahmen sie mit
Entzücken auf. So durchdrangen sich diese beiden Ansichts-
weisen aufs innigste. Das italienische Gefühlsleben und die
Kunst der Geselligbeit erhielten hier erst ihre künstlerische
Färbung, und gewannen wieder durch sie die Fähigkeit, ihren
Siegeslauf durch die europäische Kultur anzutreten. Ficinüs’
Kommentare waren das Lehrbuch; aus seinem Kreise, von Kind
auf in ihm gebildet, wenn auch Venetianer von Herkunft, ging Bembo
hervor, mit dessen Asolani der platonische Dialog in italienischer
Sprache durchdrang; hier und in den Schlußgesprächen des
Cortigiano Castigliones, in denen Bemho eine Hauptrolle zu-
teil wird, kommt diese Verbindung des feinen Hoftons und
 
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